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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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liefen.
    Hier geht es nicht, dachte sie kalt. Hier zwischen den Regalen kann man ihn nicht liquidieren. Wohin mit seiner Leiche? Es muß ein totales Verschwinden sein. Plötzlich kommt der Bio-Jet-Mann nicht mehr nach Los Alamos. Sein Lieferwagen steht auf dem Hof der kleinen Auslieferung, aber er selbst ist ohne Spur in die Weite gegangen. Wie oft kommt so etwas vor. Ein Mensch wechselt sein Leben. Ein paar Tage wundert man sich, spricht über ihn, stellt Mutmaßungen an und vergißt ihn dann.
    »Was soll ich nach Moskau melden?« fragte Plenjakow in die quälende Stille hinein.
    »Ich liebe Rußland und werde es immer lieben.«
    »Das ist zu wenig. Das ist kein Abschied, keine Begründung für dein Ausbrechen. Ich will den Mann sehen, der es fertiggebracht hat, eine Dunja Andrejewna zur Verräterin an ihrem Vaterland werden zu lassen.«
    »Nie!« sagte sie laut. »Nie wirst du ihn sehen!«
    »Ich werde dich nicht mehr aus den Augen lassen.« Er stieß sich von dem Regal ab und humpelte zur hinteren Magazintür. Wie haben wir uns alle verändert, dachte sie plötzlich. Damals, bei Winniza, waren wir fröhliche glückliche Russen und Andrej und Wassja waren die besten Freunde, auch wenn sie um die Gunst der Dunja Andrejewna stritten. Jeder wußte, wozu er ausgebildet wurde, was ihn später einmal erwartete … und nun war man in den USA, der große, heilige Dienst fürs Vaterland hatte begonnen, alle mitgebrachten Ideale zerfielen jetzt wie der Staub der Los Alamos umgebenden Wüste.
    »Wir sollten uns nie wiedersehen, Andrej«, sagte sie leise.
    Plenjakow drehte sich an der Tür um. »Das ist unmöglich, Norma! Ich liebe dich.«
    »Aber es hat doch keinen Sinn mehr, Andrej.«
    »Du kannst nicht einfach nach Moskau melden: Ich will nicht mehr! Du weißt genau, was dann passiert.«
    »Und du wirst es ausführen müssen, nicht wahr? Als Beweis deines Patriotismus, deines unbedingten Gehorsams. Könntest du das wirklich, Andrej? Mich auf Befehl des KGB umbringen?«
    »Ich will daran nicht denken!« schrie Plenjakow unbeherrscht. »Es wird nie soweit kommen. Laß uns darüber noch einmal reden.«
    Sie nickte. Zum letztenmal, dachte sie. Andrej, ich glaube, du wärst fähig, Moskaus Befehle auch jetzt bedingungslos zu erfüllen. Du bist Soldat, du bist Offizier der Roten Armee … für dich ist ein Befehl ein Teil deines Herzschlages. Man kann nicht mehr von dir verlangen … seit du denken kannst, hast du nur nach Richtlinien, die dir andere gaben, gelebt. Du bist eine Kreuzung zwischen Mensch und Maschine, eine Perfektion sowjetischer Planerfüllung. O Andrej, was haben sie aus dir schönem Menschen gemacht – man sollte dich beweinen.
    Aber es kann auch anders kommen.
    Wenn Andrej Moskaus Befehle nicht mehr bedingungslos erfüllt, tritt ein anderer an seine Stelle; ein Geheimdienst-Roboter, der kalt Befehle ausführt, ohne sich für Gefühle zu interessieren. Der überhaupt nicht weiß, worum es geht, der mich nicht kennt und Andrej nicht kennt und auch Bob nicht …
    »Heute abend«, sagte sie stockend. »Um zwanzig Uhr im Tal der neun Tannen. Es wird das letztemal sein, Andrej.«
    »Ich glaube es nicht«, erwiderte er heiser. »Ich kann es einfach nicht glauben. Was dir auch den Kopf verdreht hat, du wirst immer Dunja Andrejewna bleiben. Du hast ein heißes Herz, und das heißt Rußland.«
    Er humpelte hinaus, stieg in seinen weißen Bio-Jet-Lieferwagen und fuhr schnell davon.
    Etwas abseits parkte ein großer, goldfarbener Oldsmobil. Plenjakow beachtete ihn nicht, als er an ihm vorbeiratterte, und er achtete auch nicht darauf, daß ihm der Wagen in einem normalen Sichtabstand folgte.
    Erst auf der Landstraße, nachdem beide Autos die Kontrolle ohne Untersuchung passiert hatten, was für Bob Miller wieder ein Beweis war, wie sorglos man hier war, denn allein die Aufschrift ›Bio-Jet‹ war der Ausweis für Harmlosigkeit, holte der Oldsmobil auf und fuhr nahe an den weißen Lieferwagen heran. Plenjakow sah ihn zwar in dem breiten Rückspiegel, aber er hatte jetzt andere Gedanken, als sich um fremde Autos zu kümmern. Wohl nahm er wahr, daß ein amerikanischer Offizier hinter dem Steuer saß, aber dieser Anblick gehörte zum Alltag von Los Alamos und löste bei Plenjakow kein Klingeln im Gehirn aus.
    Bob Miller hatte den Bio-Jet-Mann aus dem Magazin kommen sehen und war sich völlig unsicher. Die Schirmmütze verdeckte das Gesicht, darunter veränderte eine breite, dunkle Sonnenbrille die Konturen. Die Größe konnte

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