Das Doppelspiel
John nicht registrierte, und löste Barryl im Fahrerhaus ab.
Bei Norma hatte sich Bob noch nicht wieder sehen lassen. Er ahnte, daß sie unruhig war, sich sein Fernbleiben nicht erklären konnte, sich über sieben Ecken nach ihm erkundigte, aber John zu fragen, wäre nie über ihre Lippen gekommen. Bei Hillmoore schnell einmal vorbeizublicken, verbot ihr der Stolz.
Die Arbeit an der Bar war der fruchtbarste Job, den es in Frazertown für Miller gab. Hier saßen alle Agenten nacheinander an der Theke, er erfuhr ihre amerikanischen Namen, manchmal sogar ihre russischen, er hörte von ihren Spezialausbildungen, die einen Schluß zuließen, wie sie einmal in den USA eingesetzt werden sollten.
Am frühen Morgen des sechsten Tages seines Lebens in Frazertown gelang Bob endlich mit seinem in den Transistor eingebauten Kurzwellensender die Verbindung zu Awdej Konstantinowitsch Dewjatow in Winniza. Verschlüsselt mit dem Geheimcode – es waren Wortgruppen aus den Seiten 23 bis 27 von Hemingways ›Der alte Mann und das Meer‹, Ausgabe 1953 – funkte er die Namen, die er bis jetzt erfahren hatte und beschrieb die Gefährlichkeit einiger besonders wichtiger Agenten. John Barryl – der Major Andrej Nikolajewitsch Plenjakow – stand dabei an erster Stelle.
»Tut mir leid, Junge –«, sagte Miller, als er seine Meldungen durchgegeben und Dewjatow kurz »Verstanden!« geantwortet hatte. »Vielleicht rette ich dich damit. Wenn du die Nase über unsere Grenze steckst, haben sie dich sofort, und der ganze Scheißdreck ist für dich vorbei. Ich gönne dir ein langes, ruhiges Leben.«
Er stellte das Transistorradio zurück auf das Regal hinter der kleinen Bartheke und trank einen doppelten Whisky pur. Sein erster Funkspruch war abgesetzt … am Abend würde General Orwell die entschlüsselte Botschaft auf dem Tisch haben. Und er würde zu den anderen eingeweihten Offizieren sagen: »Hatte ich nicht recht? So etwas konnte nur Bob schaffen. Eine verdammte Schande, daß wir ihn nie wiedersehen werden –«
An den letzten Satz allerdings dachte Bob Miller nicht. Für ihn fing das Leben in Frazertown jetzt erst richtig an. Nachts bei Hillmoore an der Bar, mittags auf dem Weizenfeld bei John, abends zwei Stunden Ruhe, in denen er an Norma dachte.
Ein paarmal fuhr er zum Fluß, setzte sich abseits auf eine der weißen Bänke und sah hinüber zu Billy Ramplers Restaurant mit dem riesigen Hamburger auf dem Dach. Wenn bei Einbruch der Dunkelheit das wundervoll kitschige Mammutbrötchen von innen her erleuchtet wurde und Gehacktes, Gurkenscheiben und Tomaten so richtig farbenprächtig glitzerten, mußte Bob seine Sehnsucht unterdrücken, doch noch zu Norma zu gehen. Er wußte: Sie stand hinter ihrer blitzenden Milchtheke und starrte auf die Tür.
Am fünften Abend nach dem Boxkampf hielt er Norma für weichgekocht. Er hatte geduscht, ein frisches Hemd angezogen und roch nach einem herben Rasierwasser. Mit Dewjatow in Winniza hatte er vor einer halben Stunde korrespondiert. Dewjatow funkte: »Alles in Ordnung. Väterchen ist gesund und schickt dir ein Küßchen.« Das hieß im Klartext: General Orwell hatte alle Meldungen bekommen, war zufrieden und klopfte Bob aus der Ferne auf die Schulter.
Norma Taylor zuckte zusammen, als Bob Miller die Tür aufstieß und in Billys Restaurant erschien. Er machte keinen Umweg, ging sofort zur Theke und lächelte Norma breit an. Seine romantischen Augen schienen einen sanften Ausdruck wie nie zu haben, denn Norma ließ das Glas Milch, das sie gerade zapfte, überlaufen.
»Eine Ananasmilch, meine Süße«, sagte Bob. Er griff über die Theke, zog Normas schlaffe, willenlose Hand zu sich und küßte ihre Innenfläche. Er spürte, daß es sie wie ein Schlag durchzuckte. »So süß wie du soll sie sein …«
Sie riß die Hand weg und flüchtete hinter ihre chromblitzenden Zapfhähne. Ihre Frisur hatte sie geändert … sie trug die Haare jetzt offen, durch ein Stirnband gehalten. Sie sah weicher aus, südländischer, lockender, anschmiegsamer.
»Waren Sie krank?« fragte sie.
»Nein. Ich fühle mich so gesund, daß ich auf der Stelle Helden zeugen könnte.«
»Sie haben sich mit John geprügelt.«
»Es war ein fairer Boxkampf. Unentschieden. Es ging um Sie, Norma.«
»Ich weiß es. Soviel Dummheit! Als ob ich Muskeln liebe und sonst nichts! Prügeln sich wie Straßenjungen!« Sie zapfte die Ananasmilch und knallte Bob das Glas auf die Thekenplatte. »Von mir aus könnt ihr euch die Köpfe
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