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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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klammerte sich an die Haltestange der Bartheke. »Bob, wenn man sie plötzlich abberufen hat … Du weißt doch, das geht von einer Minute zur anderen. Wenn Norma für immer weg ist …«
    »Damit zu rechnen, haben wir gelernt. John, vergiß nicht, wer wir sind!«
    »Trotzdem ist der Gedanke unerträglich.« John Barryl senkte den Kopf. »Es ist furchtbar. Bob, gib mir ein Glas. Eins nach dem anderen … Ich muß mich besaufen.«
    Er betrank sich nicht. Miller gelang es, Barryl davon zu überzeugen, daß Norma nie und nimmer abberufen sein konnte. Sie würde nie so gegangen sein, ohne Nachricht, und wenn's ein Zettel gewesen wäre.
    Es war eine schwere Arbeit gewesen, John zu beruhigen, und Bob atmete auf, als er endlich, leidlich seelisch aufgerichtet, Hillmoores Bar verließ.
    Nun war Bob zu Hause, schloß die Tür seines kleinen Holzhauses auf und freute sich auf sein Bett. Über dem Fluß schwebte wieder die geisterhafte Helligkeit des eben heraufkommenden Lichtes eines neuen Tages.
    Hinter der Hecke neben der Tür löste sich plötzlich eine Gestalt und tupfte mit der Schuhspitze gegen die unterste Stufe der Eingangstreppe. Bob Miller fuhr herum, präzise, wie er es gelernt hatte, die Hände zum tödlichen Handkantenschlag erhoben.
    »Bring mich nicht um!« sagte Norma leise. »Wenn jemand Grund hat, einen umzubringen, bin ich es.«
    »Norma!« Bob zog sie an den Schultern zu sich. Ihre fast schwarzen Augen wirkten im ersten vagen Licht des neuen Tages groß und rund. »Seit wann bist du hier?«
    »Seit drei Stunden. Vorher war ich am Fluß. Ich muß mit dir reden, Bob.« Sie ließ es zu, daß er den Arm um ihre Schulter legte und mit der anderen Hand ihr Haar aus dem Gesicht strich. »Du mußt mir erklären, warum die amerikanischen Mädchen anders sind als ich –«
    Er nickte, küßte ihr Haar und streichelte ihr dann über die weiten Augen.
    »Komm rein«, sagte er zärtlich. »Komm ins Haus, Norma …«
    Es gibt Männer – und es sind die meisten –, die sich über etwas wundern und es wenig später über anderen Ereignissen wieder vergessen. Und es gibt Männer, die sich mit einem plötzlich ihr Leben streifenden Problem immer wieder beschäftigen, die es in ihrem Hirn hin und her rollen und denen es keine Ruhe läßt, auch wenn alles im Grunde von keiner großen Wichtigkeit ist.
    Harry Fulton, der Chef der Boxschule von Frazertown, war solch ein verbissener Mensch. Auf der Offiziersschule in Leningrad hatte man ihn den Maulwurf genannt, weil er immer in Alltäglichkeiten herumwühlte, die andere längst aus dem Gedächtnis gestrichen hatten. So war es vorgekommen, daß er sechs Wochen lang eine lächerliche Spur verfolgte: Jemand aus seinem Lehrgang hatte ihm nachts einen Knopf von der Uniform geschnitten und bei sich angenäht. Fulton, der damals noch Gawril Saweliwitsch Gordejew hieß, regte sich wahnsinnig auf, sprang wie ein Irrer durch die Stube, benahm sich, als habe man ihn nachts unter Ausnutzung seines tiefen Schlafes schmerzlos kastriert, und schrieb eine offizielle Meldung über diesen gemeinen, hinterlistigen Diebstahl. Dabei wäre es eine Kleinigkeit gewesen, sich in der Kleiderkammer einen neuen Knopf zu holen und anzunähen, aber nein, Gawril Saweliwitsch befand, daß nächtliches Knopfabschneiden die Vorstufe zum Kopfabschneiden sei, schwor, den Dieb zu ergreifen und ihm die Verletzung seiner Ehre heimzuzahlen. Damals lachte alles über Gordejew, man dichtete und komponierte sogar ein Liedchen über den gestohlenen Knopf, aber das regte Gawril Saweliwitsch nur noch mehr an, verbissen nach dem Übeltäter zu fahnden.
    Nach sechs Wochen hatte er ihn. Nach sechs Wochen Warten, Herumhören, Registrieren und Auswerten von Gesprächsfetzen. Und als keiner mehr an den dämlichen Knopf dachte und andere, größere, wichtigere Dinge die Offiziersschüler von Leningrad beschäftigten, schlug Gordejew zu. Er legte kalt und mit steinernem Gesicht die Beweise vor. Der Dieb riß sich den Knopf wieder von der Uniform, hielt ihn Gordejew hin und sagte: »Da hast du ihn, Gawril Saweliwitsch! Nähe ihn dir an das Arschloch!«
    Gordejew schwieg. Aber zwei Tage später wurde der Knopfabschneider, ein Oberleutnant, mit unbekanntem Ziel versetzt. Man mußte es tun, es lag eine offizielle Diebstahlsmeldung vor, und Gordejew war nicht zu bewegen, die Anzeige wegen Geringfügigkeit zurückzunehmen, so eindringlich und lange sogar der General, der Kommandeur der Schule, auf ihn einredete.
    So einer war Gawril

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