Das Doppelspiel
Früher hieß es: Gottes Wort ist mächtig. Aber damals kannte man noch nicht das KGB! Staatssicherheit ist ein so umfassendes Wort, daß es kein zweites ebenbürtiges mehr gibt. Nicht im Russischen, Genossen …
Dewjatow kümmerte das wenig, er hatte, Genialität aller Improvisierer, auch damit gerechnet. Viermal wurde er angehalten und nach seinem Namen, seinen Papieren gefragt. Alle Straßen und Zufahrtswege wimmelten von Miliz und Militär, man hielt sogar brave junge Mütterchen und ehrwürdige Großmütter an und untersuchte die Kinderwagen, die sie durch den schönen Spätsommertag schoben.
Logisch, daß es deswegen manchen heißen Streit gab.
»Wickelt das Baby doch aus!« schrie zum Beispiel das Großmütterchen Sophia Johannowna und hielt ihren vier Monate alten Enkel hoch. »Sucht in den Windeln! Sucht! Was wollt ihr denn finden, he? Goldmünzen? Diamanten? Mein kleiner Jakow entleert normal seinen Darm, da ist kein Geheimnis dran …«
Und die junge Mutter Tamara Michaelowna, die mit dem Kinderwagen am Ufer des Bug spazierenging, hob sogar ihren Rock und zeigte sich der Miliz in einem knappen Baumwollschlüpfer. »Ist es hier?« schrie sie. »Ihr feisten Böcke … was sucht ihr an mir? Ha! Wie ihre Augen glänzen! Warum tragt ihr überhaupt noch Hosen, Genossen?«
Tamara Michaelowna gehörte nicht zu den ganz feinen Leuten, aber das verlangte auch keiner von ihr. Die Miliz ließ sie ziehen, aber nicht, ohne vorher den Kinderwagen wie bei Großmütterchen Sophia untersucht zu haben. Es hagelte Beschwerden beim Stadtsowjet, bei der Parteileitung, beim Stadtoberhaupt, beim Kommandeur der Miliz und des Militärs – es half alles nichts. Die Kontrollen gingen weiter.
Dewjatow jedoch wurde von niemandem mehr angehalten. Nach seiner vierten Kontrolle ließ er sich von einem Offizier einen Zettel schreiben, den er an seinen Traktor klebte. ›Kann frei passieren!‹ stand darauf. ›Wurde mehrmals kontrolliert!‹ Dann ein dicker Stempel der Miliz … das Wichtigste auf diesem Schriftstück. Ohne Stempel ist in Rußland, wie überall auf der Welt, ein Dokument nicht mal den Papierpreis wert.
So fuhr Dewjatow unbehelligt über das Land, vorbei an allen Sperren, teilte ab und zu mit den schwitzenden, in der Sonne ausharrenden Milizionären eine saftige Melone, und bald kannte er alle Kontrollen, man winkte sich zu und wechselte ein paar nette Worte miteinander.
In seiner Scheune, unter deren Boden die Uniform des Majors Wassja Grigorjewitsch Shukow lag, lud Dewjatow Stroh auf, um nicht immer leer herumzukarren, was ja auch auffallen mußte. Am dritten Tag war er mit Mais unterwegs und briet gerade über einem offenen Feuer neben seinem Bauernwagen ein paar dicke Maiskolben auf einer Eisenplatte, als ihn die bis jetzt neunte Kontrolle einholte. Dewjatow hatte vor einer Viertelstunde wieder seinen Ruf hinausgefunkt: ›MELDEN! MELDEN!‹, und Kapitän Slobin kämpfte in seinem Peilwagen mit einem Schreikrampf.
Die Miliz in zwei Jeeps hielt an, betrachtete den Zettel auf dem Traktor, auf den Dewjatow mit dem Daumen zeigte, denn er hatte gerade den Mund voller gerösteter Maiskörner, und stieg aus den Wagen. Dewjatow kräuselte etwas die Stirn. Unter seiner Kopfhaut begann ein rhythmisches Jucken.
»Es riecht wundervoll«, sagte der Führer der Streife, ein Unterleutnant, und schnupperte wie ein Hund über die heiße Eisenplatte. »Awdej Konstantinowitsch, du hast den ganzen Wagen voll Mais … röste uns ein paar Kolben! Wir geben dir zwanzig Kopeken!«
»Ich werde von den Freunden der Miliz auch nur eine einzige Kopeke annehmen, ha, wo denkt ihr hin?« sagte Dewjatow tief beleidigt. »Seid meine Gäste, Genossen! Noch nie hat es so guten Mais gegeben wie diesen Sommer!«
Er legte ein paar enorme Kolben auf die glühende Platte, und der Duft des Röstens stieg allen verführerisch in die Nase. »Warum eigentlich diese Kontrollen?« fragte Dewjatow unschuldig. »Diese Hektik! Überall seid ihr! Ist denn ein Mörder ausgebrochen?«
»Wir suchen einen Sender«, sagte der Unterleutnant freundschaftlich. »Einen fahrbaren Sender.«
»Das ist ja eine Staatssache!« Dewjatow riß die Augen weiter auf. »Genossen, seid nicht nachlässig! Vielleicht habe ich unter dem Mais eine ganze Funkanstalt …«
Die Milizionäre lachten schallend, knabberten ihre Maiskolben und fuhren dann mit der Versicherung, Dewjatow sei ein wahrer Freund, weiter. Fünf Minuten später funkte er wieder, unter dem Bauernwagen liegend,
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