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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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von Winniza hatte begonnen.
    Bob Miller hielt aus bis gegen Mitternacht. Erst dann kroch er aus seinem Versteck, schob die Tür des Schuppens einen Spaltbreit auf und sicherte nach allen Seiten. Der Hof lag leer, in allen Gebäuden war es dunkel. Er glitt hinaus in den Schatten, den das Vordach der Scheune warf und rannte lautlos, auf den Zehenspitzen vorwärts federnd, aus dem Innenhof der Sowchose. Irgendwo bellte plötzlich ein Hund, aufgestört durch seinen Instinkt … aber da hatte Bob die Sowchose schon verlassen, war auf dem freien Land und huschte zwischen den Bäumen einer Obstplantage davon.
    Eine halbe Stunde später erreichte er Dewjatows Scheune in den Weinhängen, erholte sich, nach Luft ringend, von dem ununterbrochenen Lauf und packte dann seinen Sender aus. Wenn Dewjatow zuverlässig war, stellte er in zehn Minuten sein Funkgerät auf Empfang.
    Bob Miller blickte auf die Uhr. Genau auf die Sekunde drückte er den Sendeknopf. Nur fünf Sekunden. Nur ein Ruf.
    PLAN I. PLAN I.
    In Winniza holte man Kapitän Slobin und den KGB-Mann aus Odessa wieder aus den Betten. Sie waren in bester Laune, den armen Spezialisten aus Kiew, der sie geweckt hatte, zu zerfleischen.
    »Er ist wieder da«, rief der unglückliche Mann. »Aber nach unseren Meßvergleichen haben wir ihn jetzt. In der Sowchose –«
    »Genosse, bringen Sie ihn um!« sagte Slobin müde. »Ich habe nicht mehr die Kraft dazu. In der Sowchose! Ausgerechnet! Mann, flüchten Sie, ehe ich Sie kastriere!«
    Es war, das wußte Slobin leider nicht, der letzte Funkspruch für lange Zeit.
    Dewjatow erschien eine Stunde später auf einem Motorrad. Er wollte Bob mit einer spontanen Umarmung begrüßen, prallte dann aber entsetzt zurück: »Wassja Grigorjewitsch, Hölle, Sie stinken fürchterlich! Was ist los mit Ihnen? Verfaulen Sie innerlich?«
    »Der Gestank hat mich in die Freiheit getragen, Andrej Konstantinowitsch. Atmen Sie ihn tief ein … so riecht das neue Leben.«
    »Aber so kommen Sie keinen Meter weiter. Schwimmen wir im Fluß, ja? Ich erzähle Ihnen dann alle Einzelheiten, die General Orwell befohlen hat. Mein Gott, wie kann man so stinken?«
    »Wenn man sieben Stunden in einer Abfalltonne sitzt. Mein lieber Dewjatow, für mich riecht es wie Rosenduft.«
    Später, nach dem Bad im Bug, lagen sie im Stroh und betrachteten beim Schein einer Taschenlampe die Karte, die Dewjatow mitgebracht hatte. Sibirien, die Lena, das flache Schwemmgebiet westlich des riesigen Stromes. Die Lindya und nördlich von Borolgustakh ein roter Punkt. Dewjatow nickte und zeigte auf die Markierung.
    »Da ist es. Aus dem Boden gestampft. Wir wissen nur, daß die Basis Werchokrassnoje heißt. Das neunte Werchokrassnoje in Sibirien! Wie Sie da herankommen, wird Ihnen überlassen.«
    »Zu gütig. Und welche Unterstützung habe ich?«
    »Keine. Nur eine Funkverbindung nach Jakutsk. Die Frequenz gebe ich Ihnen noch. Sie stehen völlig allein.«
    »Welch eine Beruhigung!« Bob Miller studierte wieder die Karte. »Und Orwell meint, ich schaffe das?«
    »Nur Sie! Und allein! So etwas kann man nur allein machen …« Dewjatow packte aus seiner Aktentasche Brot, kaltes Fleisch und eine halbe Flasche Rotwein aus. »Essen wir etwas, Wassja Grigorjewitsch. Mit einem satten Bauch kommen auch gute Gedanken.«
    Zwei Tage später bestieg Bob Miller, jetzt wieder der Major der Roten Armee, der Genosse Shukow, den Zug von Winniza nach Kiew. In Kiew stieg er um in den Expreß nach Moskau. Niemand kontrollierte ihn, niemand sah ihn scheel an, niemand wagte auch nur, ihn anzusprechen. Warum auch?
    Ein Major auf der Fahrt nach Moskau – na, Genossen, was ist denn schon dabei? Wie viele Majore fahren täglich nach Moskau …
    Shukow sah Moskau zum erstenmal.
    Aber deswegen war es ihm in keinem Augenblick, von dem Moment an, als er aus dem Kiewer Expreß stieg, eine fremde Stadt. Es gehörte zur Grundausbildung in Alaska, die sowjetischen Großstädte kennenzulernen. Nicht nur die topographischen Dinge, die Stadtgeschichte, die öffentlichen Gebäude, Kirchen, Klöster, Theater, Schulen, Kaufhäuser und Märkte … so wie man in Physik und Chemie nach guter alter Schultradition einzelne Formeln auswendig lernen muß, so hatten Shukow und seine Alaska-Kameraden stur alle Pläne der wichtigsten russischen Städte im Kopf.
    Mit geschlossenen Augen vor den jeweiligen an der Wand hängenden Spezialkarten sitzend, konnten sie nach einem Jahr hersagen, was man sie fragte.
    »Komplex Samarkand: Auf welche

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