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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sie sollten das reparieren.«
    »Ein guter Rat, Genosse Major.« Der Fahrer drosselte das Tempo und grinste durch den Rückspiegel zu Shukow hin. »Aber wie? Baue ich den Sitz raus und bringe ihn in eine Polsteranstalt … wie lange dauert das? Sollen die Fahrgäste auf dem Autoboden sitzen oder auf einer Stange wie die Hühner? Melde ich es dem Genossen Ersatzteillagerleiter und bitte um einen neuen Sitz, wirft er mich aus dem Büro oder läßt mich an einen Psychiater überweisen. Repariere ich es selbst … wer bezahlt mir das? Also bleibt die Feder so, wie sie ist … für die wunden Hintern der Fahrgäste ist die Beschwerdestelle zuständig. Aber wer beschwert sich? Niemand! Warum auch? Wird's besser dadurch? Die Verantwortlichen werden nur nervös, und ist das gut, na?«
    »Das ist ein Sauladen bei euch!« sagte Shukow grob. »Wenn Sie nun einen Ausländer fahren?«
    »Oh, das ist kein Problem.« Der Fahrer bog in die Auffahrt ein und hielt vor dem langen Gebäude der Abflugabfertigung. »Sind es Amerikaner, sage ich: Ihr seid auf dem Mond gelandet und habt trotzdem noch Gangster. Sind es Franzosen, sage ich: Rußland hängt nicht von einem kaputten Federchen ab. Fragen Sie Ihren Napoleon! Sind es Deutsche, sage ich: Natürlich müssen Sie kritisieren. Was wäre ein Deutscher ohne Meckern? Und sind es Chinesen, sage ich: Ach, leckt mich doch am Arsch! – Es hat immer gewirkt. – Genosse Major, wir sind da! Die Taxe, die staatliche, beträgt –«
    Shukow gab dem Fahrer einen Rubel Trinkgeld, den er eigentlich nicht annehmen durfte, aber dennoch einsteckte mit der Bemerkung, er hebe ihn als Andenken an den freundlichen Major auf und nagele ihn an die Wand. Er trug sogar Shukows Koffer bis in die weite, helle, sonnendurchflutete Halle, setzte ihn dort ab und wünschte einen guten Flug.
    »Wohin, wenn man fragen darf?«
    »Irkutsk.«
    »Eine herrliche Stadt. Sie übernehmen dort ein Kommando?«
    »Ja.«
    »Viel Glück, Genosse.«
    »Danke.« Shukow lächelte reserviert zurück. »Vielleicht schicke ich Ihnen aus Irkutsk eine neue Polsterung. Es gibt dort drei Polsterfabriken. Ich habe mir die Nummer Ihres Autos gemerkt.«
    Dann war er wieder allein, suchte den Schalter der Aeroflot für Sibirien und mußte warten, weil eine Familie aus Tschita – Vater, Mutter, Großvater, Großmutter und Kinder – einen lauten Klagegesang anstimmten, als sie erfuhren, daß man so viele Plätze erst in drei Tagen in einer Maschine frei habe.
    »Drei Tage?!« schrie das Großväterchen. »Das kann man mir nicht antun! Soll ich drei Tage lang auf einem Koffer sitzen? Ein Hotel? Ha, ihr lieben Genossen, wißt ihr, was in Moskau ein Hotelzimmer kostet? Und gibt es ein Hotel, das sieben Personen in einem Zimmer schlafen läßt? Drei müssen wir nehmen, mindestens drei! Sehen wir aus, als wenn wir die Erben von Stroganoff sind?«
    Es half kein Klagen … nach Tschita fliegt nicht jeden Tag ein Flugzeug, und mit der Bahn ist es eine Reise von mehreren Tagen. Die Familie gab den Schalter frei, versammelte sich ein paar Meter weiter um ihre Koffer und beratschlagte. Sie schien zu einem Ergebnis zu kommen, wie überhaupt die Improvisationskunst der Russen ein Phänomen ist, und trug ihre Koffer in eine Ecke der Abfertigungshalle. Es sah so aus, als wollte sie sich dort drei Tage lang häuslich ausbreiten.
    Für Shukow war es einfacher, nach Irkutsk zu kommen. Die nächste Maschine, um 17 Uhr, war zwar voll belegt, aber Shukows Befehl, sofort nach Irkutsk zu kommen, wirkte. Das hübsche Mädchen der Aeroflot las das Schreiben des Ministeriums aufmerksam durch, ging damit zu einem vorgesetzten Genossen, der las es auch und kam sofort an den Schalter. »Wir können Ihnen einen Platz im Cockpit anbieten, Genosse Major«, sagte er. »Das ist zwar verboten, aber in Ihrem dringenden Fall … Außerdem sind Sie Offizier und fallen damit nicht unter die Bestimmungen der Zivilbeförderung.«
    »Ich wußte, es gibt einen Weg«, sagte Shukow freundlich. Er nahm den gefälschten Befehl wieder an sich, wartete auf die Ausfertigung des Tickets und ging dann in den prunkvollen Wartesaal. Noch drei Stunden Zeit. Bisher lief alles komplikationslos ab. Er bestellte eine Tasse Tee, einen sehr süßen Honigkuchen und vertiefte sich dann in die Lektüre der Illustrierten ›Die Sowjetunion‹.
    Den Flug nach Irkutsk verschlief er. Zu sehen gab es nichts … die Iljuschin-Maschine flog über den Wolken, die gegen Abend sehr tief über dem Land hingen. Als sie

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