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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bett. »Schlüpfen Sie hinein, Valja Johannowna. Es ist herrlich warm unter der Decke. Wenn ich liege, verwandele ich mich in einen Backofen. In fünf Minuten dampft es um mich herum.«
    Sie gab keine Antwort, erhob sich aber und legte sich in das Bett. Shukow setzte sich in den Sessel, den sie verlassen hatte und hob schnuppernd die Nase.
    »Teufel, wonach riechen Sie?« fragte er. »Das ist ein himmlisches Parfüm.«
    »Es kommt aus China«, sagte sie. »Die Basis ist das Öl einer kleinblütigen, hellroten Rose. Den Namen kenne ich nicht. Eine Gebirgsrose soll es sein.«
    »Und damit wollen Sie in ein Straflager?« Shukow zerrte den Mantel enger um sich. Es war tatsächlich empfindlich kühl geworden. Die Hotelheizung war noch nicht eingeschaltet. »Dort erwartet Sie Schweißgeruch. Blutdunst. Süßer Eiter. Kloakengestank. Die uringeschwängerte Ausdünstung von tausend Männern. Der Moderhauch nasser Kleider. Und da kommen Sie mit Ihrem chinesischen Rosenparfüm! Das ist geradezu pervers!«
    »Es ist nicht Ihr Problem, Wassja Grigorjewitsch. Frieren Sie?«
    »Ein wenig.« Ein neuer gewaltiger Blitz unterbrach ihn. Direkt darauf krachte der Donner, als spalte sich das ganze Firmament. Die Wuginskaja zog die Decke bis zum Kinn. Ihre Mandelaugen wurden weit vor Angst. »Das war direkt über uns«, sagte Shukow. »Könnten Sie bei Gewitter operieren?«
    »Ja.«
    »Obwohl Sie vor Angst zittern?«
    »Am Operationstisch habe ich keine Angst und zittere auch nicht.«
    »Dann sollten Sie immer einen Miniaturoperationstisch mit sich führen. So wie man früher eine Reise-Ikone hatte …«
    »Ihre geistreichen Reden widern mich an. Ich freue mich darauf, endlich im Lager zu sein und Sie nicht mehr zu sehen.«
    »Sie freuen sich auf ein Straflager?«
    »Ja. Es ist eine Aufgabe.«
    »Sie werden die Kranken selektieren und alles, was laufen kann, an die Arbeit schicken. Bald werden Sie die gefürchtetste Person im Raume Ottokh sein.«
    »Das freut mich.«
    Shukow schwieg. Er sah die Wuginskaja nachdenklich an und wickelte sich noch fester in seinen Mantel. Der Regen rauschte auf die Stadt; bis zu den unsichtbaren Sternen schien der Himmel ein unendlicher See zu sein, der nun auf die Erde hinunterfiel.
    »Warum sagen Sie nichts mehr?« fragte sie nach einer ganzen Zeit. »Warum sehen Sie mich so an?«
    »Ich überlege, Valja Johannowna.«
    »Was überlegen Sie?«
    »Ob Sie anders denken, fühlen und reagieren würden, ob Sie weniger grausam und rätselhaft wären, wenn ein richtiger Mann Ihnen zeigt, was Liebe ist.«
    »Ihr beliebtes Thema!« Sie drehte sich auf die Seite, wandte ihm den Rücken zu und räkelte sich unter der warmen Decke. »Sie erwarten doch wohl keine Antwort?«
    Shukow blieb die ganze Nacht in seinem Sessel sitzen, zuerst wach, dann langsam hinüberdämmernd in einen unruhigen Schlaf. Das Gewitter zog ab, aber der Regen blieb. Ein Morgen dämmerte herauf, so grau und elend trübe, als sei sogar die Sonne ertrunken.
    Er schrak hoch, weil die Wuginskaja ihn an der Schulter schüttelte. Sie hatte sich schon im Duschzimmer gewaschen und gekämmt. Ihr rätselhaftes Gesicht war wieder von der Undurchsichtigkeit aller Asiaten.
    »Sie schnarchen«, sagte sie, jetzt mit ihrer hellen Stimme. »Und ein Rindvieh sind Sie auch, Wassja Grigorjewitsch. Einen schönen Tag wünsche ich –«
    Sie ging hinaus und schlug die Tür hinter sich zu.
    Befriedigt erhob sich Shukow aus seinem Sessel, streckte sich, machte ein paar Freiübungen, um seine verklemmten Muskeln zu lockern, und trat dann an das Fenster. Der Regen floß über die Scheibe und verhinderte jede Sicht, als läge das Hotel unter Wasser.
    »Lobe mich, Dunjaschka!« sagte Shukow laut. »Wie habe ich mich benommen? Es war verdammt schwer, ihr zu widerstehen. Sie wird einen Mann auffressen wie ein Spinnenweibchen. Einen Kampf wird es mit ihr geben, auf Leben oder Tod –«
    Der Materialzug wurde tatsächlich pünktlich am übernächsten Tag auf dem Jakutsker Güterbahnhof bereitgestellt. Es waren zwei Lokomotiven, vierzehn Waggons, zwei Abteilwagen ältester Bauart und sieben plombierte Viehwagen, die bisher auf einem Abstellgleis gewartet hatten.
    Aus einigen engen Luftschlitzen wehten Taschentücher oder Streifen von zerrissenen Hemden wie einsame, armselige Signale: Helft! Helft! Hier hat man Menschen eingeschlossen! Geht nicht vorbei, seht uns an, behaltet das Bild im Herzen! In jedem Viehwagen sind sechzig ›Tote Seelen‹, atmende Gerippe, Freunde. Mit Haut

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