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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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man mich bevorzugt bedient, so sicher deshalb, weil ich es wage, mit Ihnen hier zu sitzen.«
    Der Kellner hatte das Fleisch serviert und entkorkte nun die Flasche grusinischen Wein. Während er eingoß, blinzelte er Shukow vertraulich zu. Gib es ihr richtig, Genosse! Sie hat uns entnervt. Hinter der Tür zur Küche knobeln wir immer aus, wer sie bedienen muß. Wer verliert, wird von uns umarmt und geküßt, als gehe er zum Schafott. Sie werden sehen, Brüderchen, auch an diesem Zwiebelfleisch wird sie herummeckern. Diese schönen Asiatinnen! Bei ihrer Zeugung hat der Teufel mitgeholfen!
    »Bin ich wirklich solch ein Scheusal?« Sie lächelte schwach, was ihrem faszinierenden Gesicht etwas Katzenhaftes gab. »Ich wundere mich über mich selbst. Sitze da mit einem fremden Mann an einem Tisch –«
    »Ich heiße Wassja Grigorjewitsch Shukow. Nicht verwandt mit Marschall Shukow. Diese Frage taucht immer wieder auf. Und Sie sind Ärztin?«
    »Ich bin dienstverpflichtet für ein Lager bei Werchokrassnoje. Es ist meine erste selbständige Stelle. Chefärztin des Kombinats ›Weltfrieden‹.«
    »Ein merkwürdiger Name für eine Basis von Interkontinentalraketen.« Shukow prostete ihr zu. Sie tranken einen Schluck Wein und widmeten sich dann dem Braten. Er war zart und ganz leicht durchgebraten, köstlich gewürzt, eine wahre Pracht. »Haben Sie schon einmal ein Straflager gesehen?«
    »Straflager! Sie spucken das Wort aus, als verfaule es in Ihrem Hals. Es sind Verbrecher, die ihre Schuld sühnen.«
    »Eine große Anzahl sind Politische.«
    »Das sind die Schlimmsten, Wassja Grigorjewitsch! Gibt es ein größeres Verbrechen, als gegen sein Vaterland zu sein?«
    Das Gespräch begann, in gefährliche ideologische Bahnen abzugleiten. Shukow goß wieder die Gläser voll und trank einen langen Schluck. »Wir werden vielleicht zusammenarbeiten, Valja Johannowna. Man hat mir gesagt, daß ich zwei Baubrigaden übernehmen soll. Und die werden von Häftlingen gestellt. Ob es gerade Ihr Lager sein wird?«
    »Dann haben wir den gleichen Weg? Mit der Materialbahn nach Ottokh …«
    »Das wird aber eine Freude werden.«
    »Glauben Sie?« Sie sah ihn wieder prüfend an. Wie meint er das, fragte ihr schräger Blick. Ist es wieder Sarkasmus, oder meint er es ehrlich? Freut er sich auf die gemeinsame Fahrt? »Der Zug soll eine Katastrophe sein. Ich sitze hier seit vier Tagen herum, weil drei Loks ausgefallen und in Reparatur sind. Und wenn der große Regen beginnt, versinkt hier alles zunächst in Schlamm. Die Gleise auf einem Teil der Strecke sind auch nur provisorisch gelegt. Fast dreitausend Verurteilte arbeiten bis jetzt an dem Wegenetz zu Werchokrassnoje.«
    Sie aß den Braten, ohne eine Bemerkung zu machen. Der Kellner, der darauf wartete, lehnte etwas abseits an der Wand und drückte dankbar die Hände zusammen, als Shukow hinüberblickte. Sieg, Genosse! Sie haben das Teufelchen in der Tasche. Es ißt und schweigt. Wer hätte das gedacht!
    Sie aßen eine Stunde zusammen und tranken, bis es gegen die Fenster klatschte, ganz plötzlich und mit einer solchen Wucht als habe ein Beben die Lena aus den Ufern gerissen und werfe sie nun über die Stadt.
    »Der Regen!« sagte Shukow. »Da ist er. Ich habe es geahnt, als ich heute den Himmel sah. Und übermorgen soll unser Zug fahren.«
    »Glauben Sie das?«
    »Aber ja! Wer nicht an die Überlegenheit unserer Technik glaubt, ist ein schlechter Russe.«
    Valja Johannowna blickte Shukow wieder fassungslos an. Wie kann man diesen Mann beurteilen? Von Satz zu Satz ist er anders, ein psychologisches Rätsel! Und dazu diese Augen, in denen eine zu Herzen gehende Wehmut liegt. Was ist das bloß für ein Mensch?
    »Kann man hier irgendwo tanzen?« fragte Shukow plötzlich.
    »Ich weiß es nicht. Ich tanze nicht.«
    »Sie schneiden doch nicht nur Bäuche auf? Valja, Sie sind eine Frau. Haben Sie wirklich nur all die Jahre studiert und die Menschen nur von innen betrachtet? Waren Sie nie lustig, ausgelassen, leidenschaftlich, hemmungslos? Haben Sie nie geküßt? Hatten Sie nie einen Geliebten?«
    »Das Essen war ausnahmsweise gut«, sagte sie hart. Sie stand auf und schob mit einer energischen Handbewegung ihr schwarzschimmerndes Metallhaar aus der Stirn. Die schrägen Augen schleuderten kalte Blitze. »Aber Sie, Wassja Grigorjewitsch, werden immer unerträglicher!«
    Sie ging. Shukow blickte der Wuginskaja nach, wie sie mit wippenden Hüften den riesigen Speisesaal durchschritt und die Kellner sich

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