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Das doppelte Lottchen

Das doppelte Lottchen

Titel: Das doppelte Lottchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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und abends wird dann am Küchentisch gewissenhaft abgerechnet.
    Sogar dem Vater ist es aufgefallen, daß der Haushalt früher mehr gekostet hat, daß jetzt, obwohl er weniger Geld gibt, regelmäßig Blumen auf dem Tisch stehen, auch drüben im Atelier am Ring, und daß es in der Rotenturmstraße richtig heimelig geworden ist. (So, als wäre eine Frau im Haus, hat er neulich gedacht! Und über diesen Gedanken war er nicht schlecht erschrocken!)
    Daß er jetzt öfter und länger in der Rotenturmstraße sitzt, ist nun wieder Fräulein Irene Gerlach, der Pralinendame, aufgefallen. Und sie hat den Herrn Kapellmeister deswegen gewissermaßen zur Rede gestellt. Sehr vorsichtig natürlich, denn Künstler sind empfindlich!
    »Ja, weißt«, hat er gesagt, »neulich komm’ ich doch dazu, wie
    das Luiserl am Klavier sitzt und stillvergnügt auf den Tasten
    klimpert. Und dazu singt sie ein kleines Liedchen, einfach herzig!
    Wo sie doch früher nicht ans Klavier gegangen war’, und wenn man sie hingeprügelt hätt’!«
    »Und?« hat Fräulein Gerlach gefragt und die Brauen bis an den
    Haaransatz hinaufgezogen.
    »Und?« Der Herr Palffy hat verlegen gelacht. »Seitdem geb’ ich
    ihr Klavierstunden. Es macht ihr höllischen Spaß. Mir übrigens
    auch.«
    Fräulein Gerlach hat sehr verächtlich geblickt. Denn sie ist eine geistig hochstehende Persönlichkeit. Dann hat sie spitz erklärt: »Ich dachte, du wärst Komponist und nicht Klavierlehrer für kleine
    Mädchen.«
    Früher hätte das dem Künstler Ludwig Palffy niemand mitten ins
    Gesicht sagen dürfen! Heute hat er wie ein Schulbub gelacht und gerufen: »Aber ich hab’ ja noch nie im Leben soviel komponiert wie gerade jetzt! Und noch nie so etwas Gutes!«
    »Was wird’s denn werden?«
    »Eine Kinderoper«, hat er geantwortet.
    In den Augen der Lehrerinnen hat sich also Luise verändert. In
    den Augen des Kindes haben sich Resi und Peperl verändert. In den Augen des Vaters hat sich die Rotenturmstraße verändert. So etwas von Veränderei!
    Und in München hat sich natürlich auch allerhand verändert. –
    Als die Mutter gemerkt hat, daß Lottchen nicht mehr so häuslich und in der Schule nicht mehr so fleißig ist, dafür aber quirliger und lustiger als früher, da ist sie in sich gegangen und hat zu sich selber also gesprochen: »Luiselotte, du hast aus einem fügsamen kleinen Wesen eine Haushälterin gemacht, aber kein Kind! Kaum war sie ein paar Wochen mit Gleichaltrigen beisammen, im Gebirge, an einem
    See – schon ist sie geworden, was sie immer hätte sein sollen: ein lustiges, von deinen Sorgen wenig beschwertes kleines Mädchen! Du bist viel zu egoistisch gewesen, pfui! Freu dich, daß Lottchen heiter und glücklich ist! Mag sie getrost beim Abwaschen einen Teller
    zerschmettern! Mag sie sogar von der Lehrerin einen Brief
    heimbringen: ›Lottes Aufmerksamkeit, Ordnungsliebe und Fleiß
    lassen neuerdings leider bedenklich zu wünschen übrig. Die
    Mitschülerin Anni Habersetzer hat von ihr gestern schon wieder vier heftige Ohrfeigen erhalten‹. Eine Mutter hat – und hätte sie noch so viele Sorgen – vor allem die Pflicht, ihr Kind davor zu bewahren, daß es zu früh aus dem Paradies der Kindheit vertrieben wird!«

    So und ähnlich hat Frau Körner ernst zu sich selber gesprochen, und eines Tages schließlich auch zu Fräulein Linnekogel, Lottes Klassenlehrerin. »Mein Kind«, hat sie gesagt, »soll ein Kind sein, kein zu klein geratener Erwachsener! Es ist mir lieber, sie wird ein fröhlicher, leidenschaftlicher Racker, als daß sie um jeden Preis Ihre beste Schülerin bleibt!«
    »Aber früher hat Lotte doch beides recht gut zu vereinbaren
    gewußt«, hat Fräulein Linnekogel, leicht pikiert, erklärt.
    »Warum sie das jetzt nicht mehr kann, weiß ich nicht. Als
    berufstätige Frau weiß man überhaupt zu wenig von seinem Kind.
    Irgendwie muß es mit den Sommerferien zusammenhängen. Aber
    eines weiß und sehe ich: Daß sie’s nicht mehr kann! Und das ist entscheidend!«
    Fräulein Linnekogel hat energisch an ihrer Brille gerückt. »Mir, als der Erzieherin und Lehrerin Ihrer Tochter, sind leider andere Ziele gesetzt. Ich muß und werde versuchen, die innere Harmonie

    des Kindes wiederherzustellen!«
    »Finden Sie wirklich, daß ein bißchen Unaufmerksamkeit in der
    Rechenstunde und ein paar Tintenkleckse im Schreibheft – «
    »Ein gutes Beispiel, Frau Körner! Das Schreibheft! Gerade

    Lottes Schrift zeigt, wie sehr das Kind die, ich möchte

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