Das doppelte Lottchen
stehst.«
Der Herr Kapellmeister lacht verlegen. »Sie hat neuerdings eine so dezidierte Art zu handeln, und außerdem ist das, was sie tut, so goldrichtig – da kannst nix machen!«
Während Fräulein Gerlach mit den schönen Schultern zuckt,
erscheint Lotte wieder auf der Bildfläche. Erst stellt sie die frischen Blumen auf den Tisch. Dann bringt sie Geschirr herbei und sagt, indessen sie die Tassen verteilt, zu Vati: »Ich koch’ nur rasch einen Kaffee. Wir müssen doch deinem Besuch etwas anbieten.«
Vati und sein Besuch schauen perplex hinter ihr drein. ›Und ich hab’ dieses Kind für scheu gehalten!‹ denkt Fräulein Gerlach. ›0 je, war ich blöd!‹
Nach kurzer Zeit taucht Lotte mit Kaffee, Zucker und Sahne auf, schenkt – ganz Hausfrau – ein, fragt, ob Zucker gefällig sei, schiebt dem Besuch die Sahne hin, setzt sich dann neben ihren Vati und
meint freundlich lächelnd: »Ich trink’ zur Gesellschaft einen Schluck mit.«
Der Paps schenkt ihr Kaffee ein und fragt chevaleresk: »Wieviel Sahne, meine Dame?«
Das Kind kichert. »Halb und halb, mein Herr.«
»Bitte sehr, meine Dame!«
»Vielen Dank, mein Herr!«
Man trinkt. Man schweigt. Schließlich eröffnet Lotte die
Unterhaltung. »Ich war eben bei Herrn Gabele.«
»Hat er dich gezeichnet?« fragt der Vater.
»Nur ein bißchen«, meint das Kind. Noch einen Schluck Kaffee –
dann fügt es harmlos hinzu: »Er hat zu wenig Licht. Vor allem
brauchte er welches von oben. So wie hier…«
»Dann soll er sich halt ein Atelier mit Oberlicht mieten«, bemerkt der Herr Kapellmeister sehr treffend und ahnt nicht, daß er genau dahin steuert, wohin Lotte ihn haben will.
»Das hab’ ich ihm auch schon gesagt«, erklärt sie ruhig. »Aber
sie sind alle vermietet, die Ateliers.«
›So ein kleines Biest!‹ denkt Fräulein Gerlach. Denn sie, auch
eine Tochter Evas, weiß nun schon, was das Kind im Schilde führt.
Und richtig…
»Zum Komponieren braucht man eigentlich kein Oberlicht, Vati.
Nicht?«
»Nein, eigentlich nicht.«
Das Kind holt tief Atem, blickt angestrengt auf sein Kleid und
fragt, als fiele ihm diese Frage eben erst ein: »Wenn du nun mit Herrn Gabele tauschtest, Vati?« Gott sei Dank, jetzt ist es heraus!
Lotte blickt den Papa von schräg unten an. Ihre Augen bitten
furchtsam.
Der Vater schaut halb ärgerlich, halb belustigt von dem kleinen Mädchen zu der eleganten Dame, die gerade noch Zeit hat, ein sanft ironisches Lächeln in ihr Gesicht zu zaubern.
»Dann hätte der Herr Gabele ein Atelier«, sagt das Kind, und die Stimme zittert ein wenig. »Mit so viel Licht, wie er braucht. Und du wohntest direkt neben uns. Neben Resi und mir.« Lottes Augen
liegen, wenn man sich so ausdrücken darf, vor des Vaters Blick auf den Knien. »Dann bist du allein, genau wie hier. Und wenn du nicht allein sein willst, kommst du bloß über den Flur und bist da. Du brauchst nicht einmal einen Hut aufzusetzen. – Und mittags können wir daheim essen. – Wenn das Essen fertig ist, klingeln wir dreimal an deiner Tür. – Wir kochen immer, was du willst. – Auch
Geselchtes. – Und wenn du Klavier spielst, hören wir’s durch die Wand…« Die Kinderstimme klingt immer zögernder. Sie erstirbt.
Fräulein Gerlach steht abrupt auf. Sie muß schnellstens heim.
Wie die Zeit vergeht! Es waren ja aber auch sooo interessante
Gespräche!
Herr Palffy bringt seinen Gast hinaus. Er küßt die duftende
Frauenhand. »Auf heut abend also«, sagt er.
»Vielleicht hast du keine Zeit?«
»Wieso, Liebling?«
Sie lächelt. »Vielleicht ziehst du gerade um!«
Er lacht.
»Lach nicht zu früh! Wie ich deine Tochter kenne, hat sie bereits die Möbelpacker bestellt!« Wütend rauscht die Dame treppab.
Als der Kapellmeister ins Atelier zurückkommt, ist Lotte schon
dabei, das Kaffeegeschirr abzuwaschen. Er schlägt ein paar Takte auf dem Flügel an. Er geht mit großen Schritten in dem Raum auf und ab. Er starrt auf die bekritzelten Partiturseiten.
Lotte gibt sich große Mühe, nicht mit den Tellern und Tassen zu klappern. – Als sie alles abgetrocknet und in den Schrank
zurückgestellt hat, setzt sie ihr Hütchen auf und geht leise zu Herrn Palffy hinüber.
»Grüß Gott, Vati…«
»Grüß Gott.«
»Kommst du zum Abendessen?«
»Nein, heute nicht.«
Das Kind nickt langsam und hält ihm zum Abschied schüchtern
die Hand hin.
»Hör, Luise – ich hab’s nicht gern, wenn sich andere Leute für
mich den Kopf zerbrechen, auch meine
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