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Das doppelte Lottchen

Das doppelte Lottchen

Titel: Das doppelte Lottchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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Theater reden immer vom Theater. Das ist nun einmal so. Da klopft es.
    »Herein!«
    Der Inspizient tritt ein. »Endlich find’ ich Sie, Herr Professor!«
    ruft der alte zapplige Mann. »Man hat aus der Rotenturmstraße
    angeläutet. Das Fräulein Tochter ist urplötzlich krank geworden. Der Herr Hofrat Strobl wurde sofort benachrichtigt und dürfte bereits am Krankenlager eingetroffen sein.«
    Der Herr Kapellmeister sieht blaß aus. »Dank’ dir schön,
    Herlitschka«, sagt er leise. Der Inspizient geht.
    »Hoffentlich ist es nichts Schlimmes«, meint die Sängerin. »Hat die Kleine schon die Masern gehabt?«
    »Nein«, sagt er und steht auf. »Entschuldige, Mitzi!« Als die Tür hinter ihm zugefallen ist, kommt er ins Rennen.
    Er telefoniert. »Hallo, Irene!«
    »Ja, Liebling? Ist denn schon Schluß? Ich bin noch lange nicht
    ausgehfertig!«
    Er berichtet hastig, was er soeben gehört hat. Dann sagt er: »Ich fürchte, wir können uns heute nicht sehen!«
    »Natürlich nicht. Hoffentlich ist es nichts Schlimmes. Hat die
    Kleine schon die Masern gehabt?«
    »Nein«, antwortet er ungeduldig. »Ich rufe dich morgen früh
    wieder an.« Dann hängt er ein.
    Ein Signal ertönt. Die Pause ist zu Ende. Die Oper und das Leben gehen weiter.
    Endlich ist die Oper aus! Der Kapellmeister rast in der
    Rotenturmstraße die Stufen hinauf. Resi öffnet ihm. Sie hat noch den Hut auf, weil sie in der Nachtapotheke war.
    Der Hofrat sitzt am Bett.
    »Wie geht’s ihr denn?« fragt der Vater flüsternd.
    »Nicht gut«, antwortet der Hofrat. »Aber Sie können ruhig laut
    sprechen. Ich hab’ ihr eine Spritze gegeben.«
    Lottchen liegt hochrot und schwer atmend in den Kissen. Sie hat das Gesicht schmerzlich verzogen, als tue ihr der künstliche Schlaf, zu dem sie der alte Arzt gezwungen hat, sehr weh.
    »Masern?«
    »Keine Spur«, brummt der Hofrat.
    Die Resi kommt ins Zimmer und schnüffelt die Tränen hinunter.
    »Nun nehmen Sie schon endlich den Hut ab!« sagt der
    Kapellmeister nervös.
    »Ach ja, gewiß! Entschuldigen S’!« Sie nimmt den Hut ab und
    behält ihn in der Hand.
    Der Hofrat schaut die beiden fragend an. »Das Kind macht
    offenbar eine schwere seelische Krise durch«, meint er. »Wissen Sie davon? Nein? Haben Sie wenigstens eine Vermutung?«
    Resi sagt: »Ich weiß freilich nicht, ob’s damit etwas zu schaffen hat, aber… Heut nachmittag ist sie ausgegangen. Weil sie wen
    sprechen müßt’! Und eh sie ging, hat sie g’fragt, wie sie am besten zur Cobenzlgasse käme.«
    »Zur Cobenzlgasse?« fragt der Hofrat und schaut zu dem

    Kapellmeister hin.
    Palffy geht rasch nebenan und telefoniert. »War Luise heute
    nachmittag bei dir?«
    »Ja«, sagt eine weibliche Stimme. »Aber wieso erzählt sie dir
    das?«
    Er gibt darauf keine Antwort, sondern fragt weiter: »Und was
    wollte sie?«
    Fräulein Gerlach lacht ärgerlich. »Das laß dir nur auch von ihr erzählen!«
    »Antworte bitte!« Ein Glück, daß sie sein Gesicht nicht sehen
    kann!
    »Wenn man’s genau nimmt, kam sie, um mir zu verbieten, deine
    Frau zu werden!« erwidert sie gereizt.
    Er murmelt etwas und legt den Hörer auf.
    »Was fehlt ihr denn?« fragt Fräulein Gerlach. Dann merkt sie,
    daß das Gespräch getrennt ist. »So ein kleines Biest!« sagt sie halblaut. »Kämpft mit allen Mitteln! Legt sich hin und spielt krank!«
    Der Hofrat verabschiedet sich und gibt noch einige
    Anweisungen. Der Kapellmeister hält ihn an der Tür zurück. »Was fehlt dem Kind?«
    »Nervenfieber. – Ich komm’ morgen in der Früh wieder vorbei.
    Gute Nacht wünsch’ ich.«

    Der Kapellmeister geht ins Kinderzimmer, setzt sich neben das
    Bett und sagt zu Resi: »Ich brauch’ Sie nicht mehr. Schlafen Sie gut!«
    »Aber es ist doch besser…«
    Er schaut sie an.
    Sie geht. Sie hat den Hut noch immer in der Hand.
    Er streichelt das kleine heiße Gesicht. Das Kind erschrickt im
    Fieberschlaf und wirft sich wild zur Seite.
    Der Vater sieht sich im Zimmer um. Der Schulranzen liegt fertig gepackt auf dem Pultsitz. Daneben hockt Christi, die Puppe.
    Er steht leise auf, holt die Puppe, löscht das Licht aus und setzt sich wieder ans Bett.
    Nun sitzt er im Dunkeln und streichelt die Puppe, als wäre sie das Kind. Ein Kind, das vor seiner Hand nicht erschrickt.

NEUNTES KAPITEL

    Herrn Eipeldauers Fotos stiften Verwirrung – Ja, ist es denn überhaupt Lotte? Fräulein Linnekogel wird ins Vertrauen gezogen –
    Verbrannte Schweinsripperln und zerbrochenes Geschirr – Luise beichtet

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