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Das doppelte Lottchen

Das doppelte Lottchen

Titel: Das doppelte Lottchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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fast alles – Warum antwortet Lotte nicht mehr?

    Der Chefredakteur der »Münchner Illustrierten«, Doktor Bernau,
    stöhnt auf. »Sauregurkenzeit, meine Liebe! Wo sollen wir ein
    aktuelles Titelbild hernehmen und nicht stehlen?«
    Frau Körner, die an seinem Schreibtisch steht, sagt: »Neo-preß
    hat Fotos von der neuen Meisterin im Brustschwimmen geschickt.«
    »Ist sie hübsch?«
    Die junge Frau lächelt. »Fürs Schwimmen reicht es.«
    Doktor Bernau winkt entmutigt ab. Dann kramt er auf dem Tisch.
    »Ich hab’ doch da neulich von irgend so ‘nem ulkigen
    Dorflichtbildkünstler Fotos geschickt gekriegt! Zwillinge waren darauf!« Er wühlt zwischen Aktendeckeln und Zeitungen. »Paar
    reizende kleine Mädels! Zum Schießen ähnlich! He, wo seid ihr
    denn, ihr kleinen Frauenzimmer? So etwas gefällt dem Publikum
    immer. Eine gefällige Unterschrift dazu. Wenn schon nichts
    Aktuelles, dann eben hübsche Zwillinge! Na endlich!« Er hat das Kuvert mit den Fotos entdeckt, schaut die Bilder an und nickt
    beifällig. »Wird gemacht, Frau Körner!« Er reicht ihr die Fotos.
    Nach einiger Zeit blickt er schließlich auf, weil seine
    Mitarbeiterin nichts sagt. »Nanu!« ruft er. »Sie stehen ja da wie Lots Weib als Salzsäule! Ist Ihnen schlecht geworden?«
    »Ein bißchen, Herr Doktor.« Ihre Stimme schwankt. »Es geht
    schon wieder.« Sie starrt auf die Fotos. Sie liest den Absender.
    »Josef Eipeldauer, Fotograf. Seebühl am Bühlsee.«
    In ihrem Kopf dreht sich alles.
    »Suchen Sie das geeignetste Bild aus und dichten Sie eine
    Unterschrift, daß unseren Lesern das Herz im Leibe lacht! Sie
    können das ja erstklassig!«
    »Vielleicht sollten wir sie doch nicht bringen«, hört sie sich
    sagen.
    »Und warum nicht, hochgeschätzte Kollegin?«
    »Ich halte die Aufnahmen nicht für echt.«
    »Zusammenkopiert, was?« Doktor Bernau lacht. »Da tun Sie
    dem Herrn Eipeldauer entschieden zu viel Ehre an. So raffiniert ist der nicht! Also, rasch ans Werk, liebwerte Dame! Die Unterschrift hat bis morgen Zeit. Ich kriege den Text noch zu Gesicht, bevor Sie ihn in Satz geben.« Er nickt und beugt sich über neue Arbeit.
    Sie tastet sich hinüber in ihr Zimmer, sinkt in ihren Sessel, legt die Fotos vor sich hin und preßt die Hände an die Schläfen.
    Die Gedanken fahren in ihrem Kopfe Karussell. Ihre beiden
    Kinder! Das Kinderheim! Die Ferien! Natürlich! Aber warum hat
    Lottchen nichts davon erzählt? Warum hat Lottchen die Bilder nicht mitgebracht? Denn als sich die zwei fotografieren ließen, taten sie’s doch nicht ohne Absicht. Sie werden entdeckt haben, daß sie
    Geschwister sind! Und dann haben sie sich vorgenommen, nichts
    darüber zu sagen. Es läßt sich verstehen, ja freilich. Mein Gott, wie sie einander gleichen! Nicht einmal das vielgepriesene Mutterauge…
    Oh, ihr meine beiden, beiden, beiden Lieblinge!
    Wenn jetzt Doktor Bernau den Kopf durch die Tür steckte, sähe
    er in ein von Glück und Schmerz überwältigtes Gesicht, über das Tränen strömen, Tränen, die das Herz ermatten, als flösse das Leben selber aus den Augen.
    Glücklicherweise steckt Doktor Bernau den Kopf nicht durch die
    Tür.
    Frau Körner ist bemüht, sich zusammenzureißen. Gerade jetzt
    heißt es, den Kopf oben zu behalten! Was soll geschehen? Was wird, was muß geschehen? Ich werde mit Lottchen reden!
    Eiskalt durchfährt es die Mutter! Ein Gedanke schüttelt wie eine unsichtbare Hand ihren Körper hin und her!
    Ist es denn Lotte, mit der sie sprechen will?
    Frau Körner hat Fräulein Linnekogel, die Lehrerin, in der
    Wohnung aufgesucht.
    »Das ist eine mehr als merkwürdige Frage, die Sie an mich
    richten«, sagt Fräulein Linnekogel. »Ob ich für möglich halte, daß Ihre Tochter nicht Ihre Tochter, sondern ein anderes Mädchen ist?
    Erlauben Sie, aber…«
    »Nein, ich bin nicht verrückt«, versichert Frau Körner und legt eine Fotografie auf den Tisch.
    Fräulein Linnekogel schaut das Bild an. Dann die Besucherin.
    Dann wieder das Bild.
    »Ich habe zwei Töchter«, sagt die Besucherin leise. »Die zweite lebt bei meinem geschiedenen Mann in Wien. Das Bild kam mir vor etlichen Stunden durch Zufall in die Hände. Ich wußte nicht, daß sich die Kinder in den Ferien begegnet sind.«
    Fräulein Linnekogel macht den Mund auf und zu wie ein Karpfen
    auf dem Ladentisch. Kopfschüttelnd schiebt sie die Fotografie von sich weg, als hätte sie Angst, gebissen zu werden. Endlich fragt sie:
    »Und die beiden haben bis dahin nichts voneinander

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