Das doppelte Rätsel
Beobachtung, im Unterschied zum Funkbild, das auch bei größter Präzision und Originaltreue das direkte optische Bild nie wird ersetzen können — zumindest nicht in seinem emotionalen Wert.
Und der spielte hier aus verständlichen Gründen eine große Rolle. Alle waren tief erregt über das Schicksal der Besatzung der FR 17. Drei Dinge waren es, die — mit unterschiedlicher Kraft — die Nerven der Wartenden anspannten: der Tod des Piloten, die Rettung des Kopiloten und die Ergründung der Ursachen für die Katastrophe, von der ja bisher nicht einmal klar war, wie sie sich eigentlich ereignet und worin sie bestanden hatte.
Der Feuerschein war nun schon so hell geworden, daß er die Augen blendete. Der Kommandant richtete deshalb das Objektiv auf die Landefläche. Vor den Augen der Beobachter erschien, aus der Höhe des Kraterberges gesehen, eine im Ungewissen Licht der Vollerde schimmernde ebene Landschaft mit einem Ausschnitt des Sternhimmels darüber. Der eingeschaltete Rotfilter nahm wenig von der Lichtintensität der Landschaft weg, aber er dämpfte einigermaßen den Feuerschweif der Rakete, der sich nun ins Bild schob. Langsam, langsam senkte sich auch der silberne Leib der FR 17 ins Blickfeld, und nun sah man, wie sich der Strahl der Antriebsgase am Boden brach. Glühender Staub wirbelte auf, hüllte den unteren Teil der Rakete ein — und dann erlosch das Feuer. Die Rakete war gelandet.
Der Kommandant nahm den Rotfilter aus dem Spiegelsystem heraus. Man sah jetzt, daß der Boden unter der Rakete glühte, man sah aber auch durch die sich lichtende Staubwolke hindurch die langen Teleskopbeine, auf denen die Rakete stand. Von beiden Seiten rollten nun zwei mächtige Kettenfahrzeuge an, die mit ihrem schalenförmigen Brustschild wie übergroße Planierraupen aussahen. Sie stellten ihre Schilde senkrecht, fuhren an die Rakete heran und legten die Schilde an deren unteren Teil. Dann begannen sich die beiden Schilde mit der Rakete langsam in die Waagerechte zu drehen, die Fahrzeuge setzten sich in Bewegung und fuhren — für die Beobachter nun schon unsichtbar — in einen Tunnel hinein, der in die Wand des Kraterberges gebrochen worden war. Der Tunnel mündete in eine große Halle, an deren Stirnwand sich nebeneinander zehn riesige, kreisrunde Öffnungen befanden. In eins der Löcher steckten die beiden Raupenfahrzeuge die Rakete bis zu der kleinen Wulst, die den Nutzteii der FR 17 vom Antriebsteil trennte, so daß sich der radioaktive Teil des Raumschiffs in der Halle, der andere jenseits der Wand in der Arbeitszelle befand. Die beiden Fahrzeuge lösten ihre Schilde vom Körper der Rakete und fuhren in den Hintergrund der Halle zurück.
Inzwischen hatte in der Arbeitszelle die Entgiftung begonnen. Eine Dusche sprühte eine Spezialflüssigkeit über die Rakete, mit der sowohl radioaktive Partikelchen abgekühlt als auch etwaige schädliche biologische Keime abgetötet wurden. Erst dann wurde Luft in die Zelle gelassen, das Raumschiff konnte geöffnet werden und die Entladung beginnen.
Aber die Fracht — wen interessierte die jetzt! Schweigend legten die Männer das Profilbett mit dem bewußtlosen Kopiloten in den Luftkissenwagen, der Arzt stieg ein und fuhr davon. Dann stiegen sie wieder in die Rakete, gingen in die Zentrale und hielten am Pilotensitz eine Schweigeminute ab.
„Ich eröffne die erste Sitzung der Untersuchungskommission.“ Der sonst formelhafte Satz kam diesmal ernst und gewichtig aus dem Munde des Kommandanten. Er sah der Reihe nach die Mitglieder der Kommission an, in die er wie üblich alle, an der Rettungsaktion Beteiligten berufen hatte: den Piloten Leif Johanson, den Triebwerksingenieur Henri Bernaud, der zuletzt die FR 17 geführt hatte, den Leiter der Raketenausbesserungswerft Kurt Osterriem, dessen Stirn ein großes Pflaster zierte, den Arzt Tom Harrar und schließlich Pollux, den Navigator. „Ich bitte zunächst unseren Arzt um seinen Bericht!“
Tom Harrar, der jüngste in diesem Kreise, räusperte sich. „Es — es fällt mir schwer, etwas dazu zu sagen“, begann er stockend, „weil — weil ich eigentlich nichts sagen kann. Der Patient ist immer noch bewußtlos. Die körperlichen Funktionen laufen normal ab, allerdings stark verlangsamt. Das Enzephalogramm zeigt merkwürdige Veränderungen der Gehirntätigkeit, die ich nicht zu deuten weiß. Ich habe über den medizinischen Dienst der Weltraumbehörde bei dem berühmten Gehirnspezialisten Professor Mirano in Rom um
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