Das doppelte Rätsel
Tür. „So geht es nicht!“ keuchte der Ingenieur. „Noch sechzehn Türen bis zur Zentrale — das sind acht Minuten — hör mal, du arbeitest dich zur Zentrale vor, ich gehe hier lang!“ Er drehte sich um und lief in entgegengesetzter Richtung.
„Was willst du tun?“ rief der Arzt ihm nach.
„Wundere dich nicht, wenn das Licht ausgeht!“ rief der Ingenieur, während er schon die nächste Tür mit der Laser-Pistole bearbeitete. Die Tür flog auf. Ein Blick auf die Uhr: noch sieben, nein, sechseinhalb Minuten. Hier mußte irgendwo der zentrale Kabelschacht sein … Da, das Mannloch, fünf Flügelschrauben. Hastig begann er sie loszudrehen, die erste, die zweite, die. dritte, verdammt, geht die schwer, die vierte, die fünfte — der Deckel polterte herunter. Da lag sie, die Seele des Raumschiffs: der Hauptkabelstrang. Noch zwei Minuten. Jetzt Präzision! Er verschloß den Helm, kniete nieder und hob die Pistole. Die Hand zitterte. Er legte sie auf den Rand des Mannlochs auf, visierte und drückte ab. Qualm drang aus dem Loch, dann ein greller Blitz — es wurde dunkel, die Notbeleuchtung schaltete sich ein, und dann fühlte er, wie sein Gewicht verschwand. Der Reaktor hörte auf zu arbeiten. Geschafft!
Tief atmend entledigte er sich seines Raumanzugs. Die halbe Stunde Zeit, die sie jetzt dadurch gewonnen hatten, daß die Flugbahn in bezug auf die Mondoberfläche nun gestreckter verlief — diese halbe Stunde würde dreimal reichen, das Schiff manövrierfähig zu machen. Sie brauchten nur das Reservekabel anzuschließen und … Während er sich in Gedanken schon die weiteren Maßnahmen zurechtlegte, stieß er sich mit sanften Stößen vorwärts, durch die von Tom geöffneten Türen hindurch, der Zentrale zu. Auch die andern wissen jetzt schon, daß alles geklappt hat, dachte er. Da sah er Tom. Der Arzt schwebte in der Tür der Zentrale. Sein Helm war geöffnet, das Gesicht aschgrau.
Der Hafenkommandant, Pollux, die Besatzung der Havarierakete, die dienstfreien Mitarbeiter des Mond-Kosmodroms und der wissenschaftlichen Institutionen des Mondes — alle hörten und sahen am Bildschirm den Bericht, den der Arzt Tom Harrar mit steinernem Gesicht gab.
„Der Pilot der FR siebzehn ist in Ausübung seines Dienstes einer noch nicht erklärbaren Katastrophe zum Opfer gefallen. Wir fanden ihn in unnatürlicher Haltung über den Pilotensessel gebeugt. Die Verletzungen, denen er erlegen ist, sind sämtlich innerer Natur, darunter ein Bruch des Rückgrats. In seiner verkrampften rechten Hand fanden wir die abgerissene Plombe der Beschleunigungssicherung. Der Kopilot liegt auf dem Profilbett. Er lebt, hat einer flüchtigen ersten Untersuchung zufolge keine ernsteren inneren Verletzungen, befindet sich jedoch in tiefer Bewußtlosigkeit. Weder in der Zentrale noch in denjenigen anderen Punkten des Raumschiffs, die wir bisher prüfen konnten, sind irgendwelche Beschädigungen oder andere Spuren gewaltsamer Einwirkung zu erkennen. Die einzige Abweichung vom Normalen ist die Stellung des Umschalters von der Programm- zur Direktsteuerung. Der Schalter stand in der Mitte, so daß die FR siebzehn überhaupt nicht mehr gesteuert wurde und der Antrieb den zur Zeit der Schaltung vorhandenen Zustand beibehielt. Offenbar ist der tote Körper des Piloten nach dem Meteoritenmanöver so unglücklich auf das Steuerpult gefallen, daß er den Umschalter auf diese Weise verschob. Wir wollen und können noch keine Schlußfolgerungen aus unseren Beobachtungen ziehen. Wir werden in fünfzehn Minuten landen und bitten, daß alle Vorbereitungen für die Rettung des Kopiloten und für eine gründliche Untersuchung des Raumschiffs und der Katastrophe getroffen werden. Ehre den Astronauten der FR siebzehn!'' Auch über den Mondflughafen am Rande des Mare Trinquillarum war inzwischen die Mondnacht hereingebrochen. Aber die Radaraugen des Navigationszentrums verfolgten aufmerksam die Landemanöver der FR 17. Auch mit bloßem Auge war der Feuerschein des Antriebs bereits zu erkennen, wurde größer und heller und überstrahlte bald die hellsten Sterne.
Mit bloßem Auge — das ist natürlich nur eine Umschreibung. Der Kommandant, Pollux und die Restbesatzung der inzwischen gelandeten Havarierakete saßen im Innern eines großen Kraterberges, der die Einrichtungen des Hafens barg, und der Lichtstrahl, der ihr Auge treffen wollte, mußte vorher ein Spiegelsystem und einige Panzerglasplatten durchlaufen. Dennoch handelte es sich um eine direkte
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