Das Dorf der Katzen
EINEN, die beiden Halbmonde. Kein Zweifel, sie ist es, die Belauscherin der Ch’quar.“
Freudiges Gemurmel war zu hören.
Raffaele drehte sich wieder zu Vera.
„Du wurdest angekündigt als Belauscherin der Ch’quar. Wir wissen noch nicht, welchen Sinn das hat und wie uns das nützen kann, aber es wird wichtig sein, denn DIE EINE hat dich rufen lassen.“
Veras Blick sprang zwischen Ioannis und Raffaele hin und her. Sie wusste kaum noch, wo ihr der Kopf stand.
Ioannis legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter und setzte seine Erklärungen fort.
„Wir wissen, dass du einen Kater hattest, mit dem du Zwiesprache halten konntest. Du hast die Besonderheit hierin immer bei ihm gesehen, in Wirklichkeit liegt sie bei dir.
Alle Katzen weltweit können das, was dein Kater konnte, aber nur du kannst das, was du nie als deine Besonderheit angesehen hast. Du kannst die geheimen Gedanken der Katzen lesen oder hören, wenn diese es wollen. Wenn nicht, können sie ihre Gedanken bewusst abblocken, so dass auch du sie nicht erkennen kannst. Die Ch’quar sind Chimären. Zwitterwesen mit feliden Bestandteilen, vermutlich von Löwen. DIE EINE hat dich wahrscheinlich kommen lassen, weil sie meint, dass du ihre Gedanken lesen kannst. Das würde uns natürlich einen Vorteil bringen. Aber das ist bis jetzt nur eine Vermutung. Jedenfalls wirst du neben Raffaele der einzige Mensch im Dorf sein, der über o Gerontas und seinen Stellvertreter Anweisungen von Bastet empfangen kann. Die Nachrichtenkette wird damit doppelt so stark wie bisher.“
Um Vera begann sich der Raum zu drehen.
„Kann ich etwas zu trinken haben?“, bat sie.
Irgendjemand reichte ihr eine Plastikflasche mit Wasser, die sie leer trank. Danach ging es ihr wieder etwas besser.
„Ihr meint also, außer Raffaele kann hier ich, und nur ich, die Gedanken von Katzen oder Feliden aufnehmen? Warum bin ich dann nicht von den Gedanken der Katzen überrannt worden, die mich auf dem Weg hierher beobachtet haben? Warum konnte ich den Ch’quar nicht ‚hören’, bevor er mich anfiel? Anscheinend bin ich doch nicht so ein toller Empfänger, hm?“ Sie wehrte sich gegen den Gedanken, eine Besonderheit zu sein, die in dieses mysteriöse Spiel mit hinein gezogen wurde.
„Wie ich schon gesagt habe, die Katzen hier und alle anderen Katzen weltweit haben ihre Gedanken für gewöhnlich abgeschirmt. Nur wenn sie sich mitteilen wollen, öffnen sie sich und ‚senden’. Was die Ch’quar betrifft, so glauben wir, dass sie noch nicht ausgereift sind. Sie sind noch nicht komplex genug, um zu denken. Momentan sind sie eher triebgesteuert und denken daher nicht oder nur rudimentär. Darum konntest du sie nicht empfangen.“
Es war zum Verzweifeln. Auf jeden Einwand von ihr, mit dem sie ihre Rolle abwerten, herunterspielen wollte, wusste Ioannis eine passende Antwort!
„Diese Ch’quar“, fragte sie dann, „woher kommen die, was wollen die?“
„Wir haben da eine bestimmte Vermutung“, sagte Trevor.
„Ziemlich viel beruht hier auf Vermutung“, dachte sich Vera.
Trevor sprach weiter: „Sachmet scheint von der Vorstellung, dass sie ihren Status als eigenständige Göttin verliert, nicht besonders erfreut zu sein. Also versucht sie, diesen Vorgang zu sabotieren. Am besten wäre für sie eine Vernichtung von Bastet und ihren „Jüngern“, also uns, bevor es zur Fusion von Bastet mit Sachmet kommt. Damit wäre Sachmet allein und ihre Stellung nicht in Frage gestellt. Allerdings scheint Sachmet nicht unmittelbar in irdische Geschehnisse eingreifen zu können, sondern muss irdische Vertreter als Zwischenglieder bemühen. Wir wissen jedenfalls, dass es bei Bastet so ist. Sie benötigt uns und die Abbilder, um bestimmte Wirkungen und Handlungen auf der Erde auslösen und steuern zu können. Wir erklären uns die Existenz der Ch’quar so, dass Sachmet Jünger oder Priester um sich geschart hat. Diese sind eine Art verlängerter Arm und können, von Sachmet mit den nötigen Energien ausgestattet, wiederum diese Chimären oder Ch’quar zum Leben erwecken, die dann als ihre Kriegsmaschinen versuchen, in Choriogatos einzudringen und uns und die Statue zu vernichten. Was wir vorhin erlebt haben, war der erste Angriff, den wir dank unserer Fähigkeiten und vor allem dank Ioannis und seiner richtigen Auslegung der Prophezeiung abwehren konnten.“
Vera hob matt eine Hand.
„Auszeit! Ioannis, Trevor, ich kann nicht mehr! Ich brauche einen Kaffee, etwas zu essen und etwas Ruhe.
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