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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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wild fabulierten. In diesem Fall stimmten zwar die Fakten, aber trotzdem störte er sich an der Grobheit der Sprache.
    Auch inhaltlich war nichts auszusetzen: Charlotte R., des grausamen Mordes überführt (wir hatten berichtet und erwähnen gerne noch das eine oder andere Detail) und in Erwartung ihrer Gerichtsverhandlung, hatte in der Untersuchungshaft ihrem Leben ein Ende gesetzt. Ein Polizeisprecher bestätigte, dass das mittels eines eingeführten, spitzen Gegenstandes, einer Heftklammer erfolgte (die bilden wir hier mal in Originalgröße ab, damit Sie sich eine Vorstellung davon machen können, dass wir nicht so ein kleines Ding meinen), die sie aus der Praxis ihres Therapeuten entwendet hatte (ja, Rubin hatte Ausgang! Stellen Sie sich das mal vor! Und dort ging es wohl zu wie im Grandhotel: Kaffee, hübsche Sessel, Plauderstündchen …). Prof. Dr. Dr. Gabriel Brock war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren ein. Damit bleibt einer der grausamsten Morde, die unsere Stadt jemals erschütter ten und unschuldige Kinder auf ewig traumatisiert haben, unge sühnt.
    Ein Foto erregte Gehrings Aufmerksamkeit. Geschossen am Tag des Mordes am Pekari-Gehege. Gaffer. Presse. Kinder.
    Sein Büro im dritten Stock der Sedanstraße erreichte er nach einem Sprint durchs Treppenhaus. Er warf als Erstes den Rennkalender Hoppegarten in den Papierkorb und rief noch einmal Sanela Bearas Handy an. Vergeblich. Er schwor sich, dass dies der endgültig letzte Versuch gewesen war und er ihren rätselhaften Anruf vom Vortag – Walter, Gisela, Erich und Harald Schmidt, was und wen auch immer sie damit meinte – löschen würde. Er machte sich ja lächerlich. Vier Anrufe in Abwesenheit von Gehring – wahrscheinlich zeigte sie das ihren Freundinnen, und die lachten sich einen Ast über ihn.
    In seinem Mailfach fand er eine Notiz, dass ein Heiner Vieritz von der Firma Vieritz Maschinen-Vertrieb GmbH aus Kleefeld bei Schwerin versucht hatte, ihn zu erreichen. Stichwort Leyendecker, hatte seine Kollegin vom LKA MeckPom in den Betreff geschrieben. Es war kurz nach acht Uhr morgens. Er versuchte es trotzdem.
    »Vieritz?«
    Laute, polternde Stimme. Im Hintergrund Motorenlärm.
    »Gehring, Kriminalpolizei Berlin. Haben Sie eine Minute Zeit für mich?«
    »Um was geht es denn?«
    Misstrauen. Vorsicht. Vermutlich nicht die erste Erfahrung in dieser Richtung.
    »Ich habe eine Frage zu einem Ihrer ehemaligen Mitarbeiter. Werner Leyendecker.«
    »Moment.«
    Gehring hörte Schritte, dann das Öffnen und Schließen einer Tür. Die Maschinen klangen nur noch gedämpft durch den Hörer. Quietschende Federn, vermutlich ein in die Jahre gekommener Schreibtischstuhl.
    »So. Jetzt. Leyendecker. Wir haben davon gelesen. Schrecklich. So ein guter Mann. Er hat damals den ganzen Osten für uns erschlossen. Die Leute haben ja Maschinen gebraucht, die ganzen LPG s und VEB s waren doch Schrott. Was kann ich für Sie tun?«
    Nichts, hätte Gehring am liebsten geantwortet. Ich bin einer Verrückten auf den Leim gegangen und entschuldige mich hiermit vielmals für die Störung. Aber wenn er Vieritz schon einmal am Apparat hatte und die Kollegen in Schwerin sich die Mühe gemacht hatten, konnte er die Befragung auch fortsetzen.
    »Ich möchte wissen, ob Herr Leyendecker für Sie in einem Ort mit Namen Wendisch Bruch gewesen ist. Unweit Jüterbog, im südlichen Brandenburg.«
    »Jüterbog, ja. Das gehörte zu seinem Bereich. Aber … wie hieß das Kaff nochmal?«
    »Wendisch Bruch.«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Er ist ja schon vor ein paar Jahren in Rente. Und der Kollege, mit dem er anfangs unterwegs gewesen ist, lebt nicht mehr.«
    Gehring, der diesen Anruf aus dem einzigen Grund fortsetzte, um Beara bei ihrer Rückkehr lückenlos die Absurdität ihrer Vermutungen vor Augen zu halten, nahm instinktiv Papier und einen Stift.
    »Wie, lebt nicht mehr?«
    »Der hatte einen Unfall. Aber das ist schon so lange her.«
    »Einen Verkehrsunfall?«
    Ach so. Gehring legte den Stift wieder weg.
    »Ja. Kam von der Straße ab, weil irgend so ein Penner eine ganze Ladung Gülle verloren hat.«
    »Gülle?«
    »Scheiße. Zum Düngen. Dabei war es Winter, und es gab Bodenfrost. Das Zeug ist gefroren, es war glatt wie eine Schlittschuhbahn. Und dann auch noch hinter einer Kurve. Er hatte keine Chance.«
    »Wer war das?«
    Vieritz schnaufte, und er legte alle Verachtung, zu der er fähig war, in dieses Ausatmen. »Hat man nie

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