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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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des Mordfalls Werner Leyendecker. Der Tote im Tierpark.«
    Das hypertonische Rot in Frau Schwabs Antlitz verlor sich etwas. Man könnte in gewisser Weise sagen, sie erbleichte. »Die Angeklagte hat sich umgebracht, gestern Nacht.«
    »Ja.«
    Er wartete darauf, ob sie eins und eins zusammenzählen konnte. Sie konnte nicht. Er sah kurz auf seine Uhr. Die Besprechung würde ohne ihn anfangen müssen.
    »Alle Kollegen sind mit anderen, sehr wichtigen und dringenden Fällen beschäftigt. Ich auch. Sie, Frau Schwab, können Ihre Aktenführung durchaus für eine Recherche unterbrechen. Ist das möglich?«
    »Ich weiß nicht …«
    »Ich habe Sie angerufen, weil Sie mir als eine verschwiegene und vertrauenswürdige Person bekannt sind. Auch nach dem Tod Charlotte Rubins sind die Ermittlungen noch nicht beendet.«
    »Nicht? Aber ich dachte …«
    »Was ich suche, sind Hinweise auf das Verschwinden von Menschen in einem kleinen Dorf im Landkreis Teltow-Fläming. Sie könnten im Zusammenhang mit dem Tierpark-Mord stehen. Eventuell würde ich Sie bitten, nach Luckenwalde zu fahren. Was ich aber konkret von Ihnen fordere, ist, über unsere Unterredung Stillschweigen zu bewahren, egal, ob Sie die Aufgabe annehmen oder auch nicht.«
    »Luckenwalde?« Er sah geradezu, wie sich hinter ihrer Stirn die Landkarte von Brandenburg ausbreitete, zeitgleich mit dem Entschluss abzulehnen.
    »Ich verstehe wirklich nicht, wie ich Ihnen da helfen kann.«
    Gehring bekam Zweifel, ob seine Idee wirklich gut gewesen war. Schwab gehörte zu den Menschen, die man irgendwann aufgegeben hatte. Sie bekamen einen Platz, man wies ihnen eine Aufgabe zu, ab und an erkundigte man sich, ob alles erledigt worden war – das schaffte sie immerhin, wenn auch mit krankheitsbedingten Verzögerungen, und niemand beachtete ihr Treiben und Tun. Sie wäre die ideale Person gewesen, um diskrete Nachforschungen anzustellen.
    »Luckenwalde …« Schwab schüttelte den Kopf. Ein Schweißtropfen sickerte aus dem Schläfenhaar. Sie tupfte ihn hektisch weg. »Das schaffe ich nicht bis heute Mittag.«
    »Schon gut. Ich will Sie nicht noch zusätzlich belasten.«
    Sie sah ihn misstrauisch aus ihren kleinen, von wulstigen Lidern fast bedeckten Augen an. Vielleicht wartete sie darauf, dass er seinen Worten noch etwas Herablassendes hinzufügte. Gehring zwang sich zu einem Lächeln.
    »Es war nur eine Idee. Ich erinnere mich, dass Ermittlungsarbeit früher einmal eine Ihrer Stärken war.«
    Sie sah auf das schweißfeuchte Papiertaschentuch in ihren Händen. »Früher konnte ich auch noch laufen. Aber wenn man nicht mehr richtig funktioniert, wird man ja ausgemustert.«
    »Wenn der Arzt sagt, dass Sie das nicht mehr können? Ihre Versetzung in den Innendienst wurde medizinisch begründet.«
    »Alle denken doch, ich simuliere nur. Denen wünsche ich mal eine Nacht meine Beine. Was genau wollen Sie denn wissen?«
    Sie deutete mit ihrer Hand auf die Akte. Gehring sah, dass ihr Ehering tief in den geschwollenen Finger einschnitt. Er überlegte, ob er sich auf ein weiterführendes Gespräch einlassen sollte, an dessen Ende sowieso nur eine Absage stand. Dann entschied er sich, Bearas Verdachtsmomente zusammenzufassen und abzuwarten, wie Schwab darauf reagieren würde.
    »Charlotte Rubin kam aus Wendisch Bruch. Neunzehnhundertdreiundneunzig, im Alter von fünfzehn Jahren, zieht sie weg. Zeitnah kommt es zu einem Exodus der männlichen Dorfbewohner und mehreren rätselhaften Todesfällen. Im Moment versuche ich herauszufinden, ob Werner Leyendecker irgendwann Anfang der Neunziger dort gewesen ist. Wenn ja …«
    Er brach ab.
    »Wenn ja«, fuhr sie zu seinem Erstaunen fort, »wäre das der erste Beweis, dass Täter und Opfer sich kannten.«
    »Sie haben den Bericht gelesen?«
    »Es ist meine Aktenführung.«
    »Oh.« Gehring strich über die grau marmorierte Pappe. »Gut gemacht, das wollte ich Ihnen schon lange einmal sagen.«
    Schwab kniff die kleinen Augen zusammen, als ob jedes Lob für sie auch eine versteckte Ohrfeige bereithalten würde.
    »Und was noch?«, fragte sie. »Die verschwundenen Männer – das könnten weitere, potentielle Opfer von Frau Rubin sein? Und Leyendecker war quasi der Letzte, der ihr durch die Lappen gegangen ist?«
    Er nickte, überrumpelt von ihrem plötzlichen Interesse und ihrem hinter Trägheit versteckten, aber vorhandenen Verstand.
    »Leyendecker war Vertreter für Landmaschinen. Er ist definitiv Anfang der Neunziger in Jüterbog gewesen. Das sind nur

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