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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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zehn Kilometer Entfernung zu Wendisch Bruch. Sein Mitarbeiter, der ihn auf diese Touren begleitet hat, ist Jahre später durch einen Verkehrsunfall ums Leben gekommen, den ich mir noch einmal genauer ansehen möchte. Der Bäcker des Ortes ist in einem Trog erstickt. Der Fleischer verschollen. Ich will wissen, wie viele der Männer, die Wendisch Bruch verlassen haben, noch leben.«
    »Interessiert Sie nicht viel mehr, wie viele schon tot sind?«, fragte Schwab.
    »Exakt.«
    Schwab erhob sich mit einem Seufzen. Ihre Bewegungen waren schwerfällig und unsicher.
    »Was haben Sie eigentlich?«, fragte Gehring.
    »Rheuma.«
    »Sie sollten sich mal Ihren Blutdruck messen lassen.«
    »Genau das hatte ich heute vor. Aber vielleicht kann ich den Termin auf Montag früh legen. Luckenwalde schaffe ich, wenn überhaupt, erst nächste Woche.«
    »Frau Schwab …« Gehring stand auf und hielt ihr die Tür auf. »Danke.«
    Er wartete, bis sie gegangen war. Dann nahm er die Akte und schob sie wieder in das Regal. Er hatte getan, was er konnte.

29
    J eremy wusste, dass alles, was er tat, falsch war. Er lag am helllichten Tag im Bett, er hatte in dieser Nacht sechsmal die Frau an seiner Seite geliebt, und er wollte weder an Brock noch an die Praxis und schon gar nicht an den Grund denken, der ihn nach Dessau getrieben hatte. Wenn er das nicht tat, war alles einfach, leicht und klar.
    Er streckte den Arm aus, um nach seiner Armbanduhr zu suchen, die er auf dem Boden vermutete, und stieß um ein Haar eine leere Weinflasche um. Im letzten Moment konnte er sie auffangen und behutsam wieder abstellen.
    Die Uhr zeigte halb zwei. Hinter seinen Schläfen pochte ein dumpfer Schmerz, den er auf einen Kater zurückführte. Vorsichtig richtete er sich auf und erwartete, hinter dem Gebirge aus weißen Kissen Caras Gestalt zu entdecken.
    Sie war fort. Das Bett war leer, die ganze Etage ebenso. Er suchte seine Sachen zusammen und ging ins Bad. Nachdem er sich geduscht und angezogen hatte, rief er Miezes Apparat an. Er murmelte eine vage Entschuldigung auf den Anrufbeantworter und war erleichtert, als er das hinter sich gebracht hatte. Dann ging er hinunter in Caras Praxis.
    Die heruntergezogenen Rollläden tauchten Flur und Wartezimmer in dämmriges Dunkel. Er rief nach ihr, und die Stille gab ihm die Antwort. Er war enttäuscht. Wenigstens einen Zettel hätte sie ihm hinterlassen können.
    Er warf einen Blick in ihr Büro. Der Tresen war leer, auch keine Nachricht. Er beschloss, ihr ein paar Zeilen zu hinterlassen, klappte den Zugang zum Schreibtisch hinter der Barriere hoch und nahm sich ein Blatt Papier aus dem Drucker. Das Gerät stand in einem Stahlblechregal. In Augenhöhe befand sich der Medikamentenschrank. Die Türen waren einen Spalt breit geöffnet. War es Neugier? Oder der irritierende Umstand, dass der Schrank eigentlich abgeschlossen sein müsste? Er öffnete ihn. Sein Blick fiel auf sterile Spritzen, braune, handbeschriftete Flaschen und Arzneimittelpäckchen. Im Großen und Ganzen unterschied sich sein Inhalt nicht von dem einer Praxis für Humanmedizin. Er schloss die Türen und widmete sich im Stehen seinem Brief.
    Liebe Cara … altmodisch. Verquast. Mist. Er knüllte das Papier zusammen, nahm ein neues. Du warst nicht da … nein. Gleich der erste Satz ein Vorwurf. Er nahm ein neues Blatt. Engel … machomäßig. Ich vermisse dich … weinerlich. Nach dem sechsten Versuch gab er auf und fischte die Knäuel wieder aus dem Papierkorb. Er wollte nicht, dass die Sprechstundenhilfe die Überreste seiner vergeblichen Suche nach den richtigen Worten fand. Zurück blieben zwei leere Medikamentenpackungen. Doptromin, Ketaprofol …
    Er kannte die Namen dieser Arzneimittel nicht, aber sie verrieten ihm die Zusammensetzung. Schwere Betäubungsmittel, Muskelrelaxanzien. In Verbindung nur unter Aufsicht eines Anästhesisten anzuwenden. Er fragte sich, ob Cara einen Fachmediziner an der Seite hatte, wenn sie einen Bullen kastrierte. Er legte die missglückten Liebesbriefe auf den Schreibtisch und nahm die Packungen heraus. Sie schienen neu, hastig aufgerissen. Je zehn Ampullen, genug, um einen Safaripark einzuschläfern. Oder einfach nur der normale Verbrauch einer Landarztpraxis?
    Er hörte, wie die Haustür geöffnet wurde. Ertappt ließ er die Packungen zurückfallen und richtete sich auf. Cara lief an der Tür vorbei, sah ihn, blieb irritiert stehen, kam herein, wieder in Gummistiefeln, T-Shirt und dreckigen Jeans.
    »Du bist noch

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