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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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einfacher so. Sie sehen ja auch einer wie der andere aus. Hässlich, aber eine Seele. Die Brunos mögen alles, was klein ist und Hilfe braucht. Einmal hat er die jungen Katzen von Böhnes über die Straße getragen. Und alle haben sie auf die Kinder aufgepasst.«
    Walburga schwieg. Die Stille setzte sich zu ihnen wie ein ungebetener Gast, den erst Caras Räuspern vertrieb.
    »Wo ist Erich?«
    Walburga, die eben noch in ihrem Stuhl geruht hatte wie ein Königsberger Klops in seinem Topf, richtete sich auf. »Der ist weg.«
    Jeremy bemerkte, wie die aufgesetzte oder auch echte Freundlichkeit fast unmerklich in eine Abwehrhaltung überging. Sie rieb sich die Unterarme, als ob ihr kalt wäre, ihre Wangen beka men schwachrote Flecken. Ihr physiologisches Reaktionsmus ter deutete auf Angst, ausgelöst durch Misstrauen oder Schuldgefühle. Jeremy tippte auf Letzteres und wurde neugierig, was es mit diesem Hund auf sich hatte.
    »Weg?«, fragte Cara erstaunt. »Wie das denn?«
    »Kommt vor.«
    »Ist er entlaufen?«, mischte Jeremy sich ein und wunderte sich, dass beide Frauen in Lachen ausbrachen.
    »Erich ist Walburgas Mann.« Cara wurde ernst. »Ist vielleicht besser so, oder?«
    »Hmmja«, antwortete Walburga ausweichend. Die Flecken wurden dunkler. »Und seitdem schlage ich mich so durch. Ich hab seine Rente, damit geht es.«
    »Ach so.«
    »Warum ist es besser so?« Jeremy trank von seinem verdünnten Wein und fand ihn nun genießbar.
    »Weil er ein brutaler, ekliger Mensch war«, erklärte Cara. »Er hat mal mit einem Stein auf den Kerl geschmissen.«
    »Das war aber doch ein Hund?« Er fand es immer noch irritierend, welche Namen man den Tieren hier gab.
    »Ja. Und ganz ehrlich, er hat doch auch gesoffen wie ein Loch. Erich, meine ich, nicht der Kerl. So viel hat die Linde gar nicht einbringen können, dass er nicht gleich alles wieder in Alk umgesetzt hätte.«
    »Ja«, sagte Walburga. Sie löste ihre Arme. Sie war wieder auf sicherem Terrain, weil Cara ihr glaubte. Jeremy tat das nicht. Etwas war faul an der Sache mit Erich. Kein Alkoholiker setzte sich ab und überließ seiner Frau freiwillig die Rente.
    »Und Sie?«, fragte Walburga und wuchtete ihren Körper in Jeremys Richtung. »Was treibt Sie in unser gottverlassenes Kaff?«
    »Die Feldsteinkirche. Ich habe darüber im Internet gelesen und würde sie mir gerne ansehen.«
    Walburga nickte skeptisch. »Ja, manchmal kommen Radfahrer deshalb her auf dem Weg nach Baruth. Sie ist immer offen. Zum Klauen gibt’s da nichts. Höchstens unsere Esther.«
    »Esther lebt noch?«, entfuhr es Cara. »Die müsste doch jetzt schon weit über achtzig sein.«
    »Ja. Und immer noch genauso boshaft wie eh und je. Es hat sich hier nicht viel verändert. Es ist nur alles noch einsamer und trostloser geworden.«
    »Warum stehen so viele Häuser leer? Wendisch Bruch ist wie ausgestorben.«
    »Wenn es einmal anfängt, hört es nicht mehr auf.« Walburga patschte mit ihrer Hand leicht auf den Tisch. Jeremy wunderte sich, dass sie nicht an der Wachsdecke festklebte wie die Fliegen am Leim. »So. Ich muss weiter Wäsche aufhängen, sonst werd ich nie fertig.«
    »Ich geh mal auf die Obstwiesen. Darf ich?« Cara sprang auf. »Das mache ich alleine. Lass mich, geh du schon mal zur Kirche. Wir treffen uns dann da.«
    Noch bevor Jeremy auf den Beinen war, war sie auch schon hinausgelaufen. Walburga räumte die Gläser in die volle Spüle und ging dann durch den Hinterausgang, den auch Cara genommen hatte.
    Aufgegebene Gärten berührten Jeremy. Wenn man noch ahnen konnte, wie eine liebevolle Hand sie angelegt hatte, bevor die Vernachlässigung begann. Das Gasthaus Zur Linde musste einmal vor langer Zeit ein reiches, stolzes Haus gewesen sein. Er stellte sich vor, wie Fuhrwerke vor dem Haupteingang gehalten hatten und zahllose Tische unter dem grünen Dach der Zweige besetzt gewesen waren. Wie Weinfässer sich in dem Schuppen gestapelt hatten, der jetzt beinahe in sich selbst zusammenbrach. Der Rasen war fleckig, zum Teil verdorrt, zum Teil in die Höhe geschossen. Die Wäscheleine, von einem Baum zu einer verrosteten Eisenstange geführt, hing in der Mitte durch. Er nahm den Plastikkorb auf und folgte Walburga, vorbei an ausladenden Brennnesselbüschen.
    »Das ist aber sehr aufmerksam, junger Mann.«
    Sie nahm einen ausgeblichenen Baumwollbeutel von der Stange und hängte ihn sich um. Dann ließ sie sich von Jeremy eine exorbitante Unterhose reichen, die sie, ohne mit der Wimper zu zucken,

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