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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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über die Leine hängte. In dem Beutel grabbelte sie nach Wäscheklammern und befestigte damit das ausgewaschene, löchrige Stück.
    »Nun mal raus mit der Sprache. Warum ist sie hier?«
    Sie wies mit dem Kopf ans Ende des Grundstücks, das in einen verwilderten Kräutergarten und dann in eine Obstwiese überging. Er sah Cara, wie sie sich kurz umwandte und ihm zuwinkte. Er winkte zurück.
    »Kindheitserinnerungen«, sagte er wahrheitsgemäß.
    Walburga kniff die Augen zusammen. Nicht, um damit den Zustand des nächsten Wäschestückes, einer Jeans mit Beinen wie Kanalrohre, zu kommentieren, sondern weil sie ihm offensichtlich nicht glaubte.
    »Da gibt’s nicht viel zu erinnern.«
    »Nicht? Es klang immer so nett, wenn sie von Wendisch Bruch erzählt hat.«
    »Nett? Was hat sie denn erzählt?«
    »Von den Sommern hier. Dem Geruch, der bei der Ernte in der Luft liegt.« Er hielt kurz inne, dann beschloss er, den wichtigsten aller Steine ins Rollen zu bringen. »Von den Hunden.«
    »Den Hunden?«
    Die Klammer aus Kunststoff zerbrach bei dem Versuch, den dicken Stoff festzuklemmen. Walburga suchte mit gerunzelter Stirn nach einer anderen in ihrem Beutel und zog dann eine aus Holz hervor. Mit der gelang es.
    »Warum erinnert sie sich an die Hunde?«
    »Genau das frage ich mich auch. Was war hier los?«
    »Nichts. Das ist ja das Elend.«
    »Sie verstehen mich nicht. Ich glaube, dass es kein Zufall war, was Charlie geschehen ist.«
    »Charlie? Haben Sie sie gekannt?«
    »Sie war Caras Schwester. Natürlich.«
    Walburga ließ sich einen verpillten Pullover reichen. »Macht sie also einen auf Familie. Reichlich spät. Herzlichen Glückwunsch dann also. Sie sind doch zusammen, oder?«
    Jeremy lächelte. Walburga war schlauer, als es der erste Anschein vermuten ließ. »Ja. In gewisser Weise. Und deshalb möchte ich natürlich auch so viel wie möglich über sie erfahren.«
    »Dann fragen Sie sie man lieber selbst, junger Mann.«
    »Sie kann sich nicht erinnern.«
    Walburga ließ den Pullover sinken. Sie schnaufte leicht, und die Flecken an Hals und Wangen traten wieder auf. Dieses Mal von der Anstrengung, vermutete Jeremy.
    »Vielleicht ist das auch besser so. Sie hat es nicht leicht gehabt. Die Mutter früh gestorben, der Vater ein versoffener, grober Mann, vor dem alles in Deckung gehen musste, wenn er einen sitzen hatte. Und Charlie, die hatte noch nie alle Tassen im Schrank.«
    »Und die Hunde.«
    »Was haben Sie denn immer mit den Hunden?«, fragte sie, leicht verärgert, und widmete sich dem Pullover. »Die hatten zwei. Akra und Kerl. Ein Schäferhund und ein Mastino-Mix. Gefährliche Brut. Liefen immer frei auf dem Hof herum, deshalb hat sich auch keiner dahingetraut.«
    »Aber es gab doch noch mehr davon, oder?«
    Sie schob den Pullover zur Seite und bückte sich, um auf die andere Seite der Leine zu kommen.
    »Jeder hier hat mindestens einen. Esther sogar noch bis letztes Jahr, dann hat auch der das Zeitliche gesegnet. Sind Sie Hundeforscher oder so was?«
    »Nein, nein.« Jeremy bückte sich und versuchte, einige zusammengeknäuelte Strümpfe so zu entwirren, dass er sie Walburga paarweise reichen konnte. »Was war mit den Babys?«
    Er fand zwei Wollsocken, die selbstgestrickt aussahen, richtete sich auf und wollte sie Walburga reichen. Sie stand da, reglos, den Blick in die Ferne gerichtet, und antwortete nicht.
    »Frau Wahl, ist Ihnen nicht gut? Wollen Sie sich setzen?«
    »Nein … nein, danke.« Sie nahm die Socken und warf sie über die Leine. »Ich weiß nicht, was Sie meinen. Hören Sie, ich muss meine Tabletten nehmen. Ich mache das hier später fertig. Auf Wiedersehen.«
    Sie ging an ihm vorbei ins Haus. Jeremy blickte ratlos auf den halb leeren Wäschekorb. Da sie den Klammerbeutel mitgenommen hatte, unterließ er es, den Rest auch noch aufzuhängen. Er ging zurück zur Straße und versuchte, sich zu orientieren. Von Jüterbog waren sie gekommen, also ging die Straße nach Baruth aus dem Ort wieder hinaus. Nach hundert Metern entdeckte er die Kirche auf einem kleinen Hügel und hielt darauf zu.
    In ihrem Inneren war es dunkel und kühl. Walburga hatte Recht: Zu stehlen gab es hier nichts. Höchstens das Holzkreuz mit dem gemarterten Christus über dem Altar, aber es war mit einer schmiedeeisernen Halterung sicher in der Wand verankert. Er schämte sich einen Moment, weil er in einer Kirche ans Klauen gedacht hatte.
    Er nahm in einer der Bänke Platz und wartete. Als eine Viertelstunde vergangen war, trieb

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