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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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friedlichen, sanften Gesichtern – und die Fratze des gewaltsamen Todes. Sie war in Wohnungen gekommen, in denen die unendlichen Facetten des Bösen auf sie gewartet hatten: Grausamkeit, Vernachlässigung, Sadismus. Sie war sechsundzwanzig und fühlte sich an manchen Tagen wie sechzig. Sie wollte zur Kriminalpolizei, weil sie nicht nur das Wie, sondern auch das Warum begreifen wollte. Aber das hier, ahnte sie, könnte sie überfordern. Dass ein Mensch, bei lebendigem Leib vielleicht sogar, von wilden Schweinen gefressen worden war.
    Lass es einen Unfall sein.
    Ein Betrunkener. Ein hilfloser Diabetiker. Fällt irgendwo im Dickicht hinter den Elchen um und wacht erst nachts wieder auf. Findet den Ausgang nicht. Verwechselt was. Steht plötzlich diesen Bestien gegenüber. Nur Muskeln und Bosheit. Nein. Tiere waren nicht böse. Aber sie könnten wütend werden. Sehr wütend.
    Was versetzte Schweine in eine solche Rage?
    Sie atmete gegen die Enge in ihrer Kehle an. Weiter vorne konnte sie den Wirtschaftseingang sehen. Silos, Garagen und mehrere Gebäude, in denen wohl die Verwaltung unterge bracht war. In den offenen Unterständen erkannte sie Schubkarren und einen Traktor. Die Baracken hinter dem Gebüsch dienten wohl weiteren Gerätschaften zur Aufbewahrung. Das Einzige, das das trügerische Bild eines frühen Sommertages auf dem Bauernhof störte, waren die Pfauen.
    Das ganze Gelände war hundertsechzig Hektar groß. Sie wusste nicht, wie viel das in Fußballfeldern war, aber es dürften einige sein. Zur Cafeteria würde sie ohne Shuttle hin und zurück eine gute halbe Stunde brauchen.
    Ein Lkw ruckelte über die Straße, Staub wirbelte in einer dichten Wolke hinter ihm auf. Er fuhr an Sanela vorbei hinter die Klinik. Wahrscheinlich die Schweine.
    Als die Sicht wieder klar wurde, erkannte Sanela auf der anderen Seite der Straße eine Frauengestalt.
    Sie trug einen weiten Kittel und Gummistiefel, trotz der Hitze. Sie blinzelte in die Sonne und zündete sich eine Zigarette an. Das Haus, vor dem sie stand, war ein niedriger Stallbau mit grauem Verputz. Der Unterschied von Schatten zu Licht war zu groß, als dass Sanela hätte erkennen können, was sich darin befand.
    Ihr Handy klingelte. Sven brauchte Hilfe an der Absperrung. Mittlerweile waren der Tierparkdirektor, drei Kamerateams und über zwanzig Fotografen und Reporter eingetroffen. Es hatte am Vormittag einen Pressetermin mit den Tigerbabys gegeben. Sie waren noch im Park gewesen, und jetzt wurde man die Meute einfach nicht mehr los. Sanela bat um zehn Minuten Aufschub mit der Begründung, dass Gehring eingetroffen war und Kaffee verlangte und sie irgendwo in der Verwaltung vielleicht Glück haben könnte, was Sven – wie jeder, der schon einmal mit dem Kommissar zu tun gehabt hatte oder mit dessen Ruf vertraut war – widerspruchslos akzeptierte. Sie ging hinüber zu der Frau, die sofort die Zigarette fallen ließ und austrat.
    »Guten Tag. Ich heiße Sanela Beara. Wo bekomme ich auf die Schnelle einen Kaffee her?«
    Die Frau blinzelte sie an. Sanela stand im Gegenlicht.
    »Im Casino?«
    Also doch laufen. Sanela wollte sich bedanken und gehen, da sagte die Frau: »Ich glaube, irgendwo haben wir noch Pulverkaffee. Wenn Ihnen das reicht?«
    »Klar.« Gehring hatte sie schließlich nicht nach einer Soja-Latte geschickt.
    »Das dauert aber einen Moment. Warten Sie hier.«
    Ihre Stimme war warm, weiblich und leise. Ein starker Kontrast zu dem kräftigen Körper und der derben Kleidung. Sie war vielleicht Mitte dreißig, doch trotz dieser noch relativen Jugend und dem runden Gesicht wirkte sie hart. Kleine dunkle Augen, zusammengepresster Mund, schrieb sie auf ihren inneren Notizblock. Naturverbundener, mitteleuropäischer Typ. Kräftig, wohl schwere Arbeit gewohnt.
    Die Frau verschwand in der Baracke. Sanela wartete. Das Motorenbrummen hinter der Klinik erstarb. In der plötzlichen Stille erwachte ein Geräusch.
    Ein Nagen, Kratzen, Rascheln, Zischen, als ob ein einziger Organismus mit hunderttausend Füßen scharrte. Es musste aus dem Gebüsch hinter der Baracke kommen, aus einem kleinen Verschlag, der neben dem Haus errichtet worden war und niemandem auffiel, weil er wie ein Provisorium wirkte und von dichtem Efeu überwuchert war. Fast schien es, als wäre diese Mimikry gewollt. Als würde sich der Anbau jedem neugierigen Blick entziehen wollen, sich verbergen hinter Gestrüpp und Wildwuchs. Vielleicht war er einmal ein Käfig gewesen, denn die Vorderfront bestand

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