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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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aus alten, anei nandergeschweißten Gittern, die man erst aus der Nähe er kennen konnte. Eine Eisentür führte hinein. Sie stand halb offen. Sanela bemerkte, dass die Schlösser neu und teuer waren. Ein erstaunlicher Gegensatz zu dem bröckelnden Putz der Barackenwand und dem Rost an Tür und Gittern. Was wurde hier so gut geschützt?
    Sie schob die halb offene Tür noch ein Stück zur Seite. Die rostigen Angeln quietschten. Links an der Stirnwand, die an die Baracke grenzen musste, stand ein eiserner Wandschrank, wie er in Umkleidekabinen zu finden war. Rechts eine Stahl kiste, so groß wie vier Schuhkartons. Zwischen Kiste und Schrank hing ein Schlauch. Das Scharren wurde leiser. Das Zischen blieb.
    »Zutritt verboten.«
    Sanela fuhr herum. Die Frau war ihr gefolgt. Sie schob eine Efeugirlande zur Seite und deutete auf ein ausgeblichenes Emailleschild mit genau diesen Worten an der Tür.
    »Was ist das?«
    »Das wollen Sie nicht wirklich wissen. Gehen Sie. Dieser Bereich ist für Besucher gesperrt. Es sei denn, Sie wollen hier ermitteln. Wollen Sie das?«
    »Sollte ich das?«
    Eine winzig kleine Pause. Dann sagte die Frau: »Die Pekaris. Wegen denen sind Sie doch hier. Gibt es was Neues?«
    »Was wissen Sie darüber?«
    »Nur das, was hier in der hintersten Ecke ankommt. Jemand ist wohl nachts übers Gatter geklettert.«
    »Wer sagt das?«
    Die Frau trat an ihr vorbei in den Verschlag. Sanela nahm das als stillschweigende Erlaubnis und folgte ihr. Augenblicklich überfiel sie ein Gefühl der Beklemmung. Das Geräusch kam aus der Stahlkiste, und es wurde leiser.
    »Die Tierpfleger haben so was erzählt. In Leipzig ist letztes Jahr ein Mann ins Eisbärengehege geklettert und getötet worden. Nachts.«
    »Wird das Gelände hier denn nicht überwacht?«
    »Natürlich.« Die Frau wich ihrem Blick aus. »Genau wie in Leipzig.«
    Eine leichte Brise kam auf und ließ vertrocknete Blätter in den Bäumen rascheln. Sanela trat an die Stahlkiste. Der Deckel war mit einem Riegel verschlossen.
    »Was ist da drin?«
    »Ratten.«
    »Kann ich die mal sehen?«
    »Nein.«
    Die Frau ging zum Stahlspind und öffnete die Tür. In dem Schrank stand eine Gasflasche. Sanela legte die Hände an den Gürtel. Das sah noch nicht bedrohlich aus, aber sie war näher an ihrer Dienstwaffe.
    »Öffnen Sie die Kiste.«
    »Nicht jetzt.« Die Frau drehte den Hahn zu.
    »Warum nicht?«
    »Weil sie noch nicht tot sind.«
    Sanela spürte, wie ihre Nackenhaare sich aufstellten. Die Gurte des Pistolenholsters schnürten sich eng um ihre Brust. Ihr fiel das Atmen schwer. Vielleicht lag es auch an dem Geruch. Der Wind hatte sich gewendet, er trug etwas mit sich, das schwer zu bestimmen war. Gärendes Futter. Feuchtes Stroh. Brot. Möhren. Gas.
    »Was ist das?« Mit einem knappen Nicken wies sie auf die ungewöhnliche Konstruktion.
    »Die Gaskammer.«
    Sie bekam keine Luft mehr. War das ein Schock? Posttraumatischer Stress? Die meisten Menschen lebten im Unklaren über ihre körperliche Belastbarkeit. So lange, bis sie auf die Probe gestellt wurde.
    »Sie sind in der Futtertierzucht. Zwanzig Liter CO2 pro Minute, fünf Minuten lang. Wenn Sie vorher öffnen, verlängern Sie den Todeskampf. Oder die Hoffnung. Beides gehört sich nicht.«
    Es gehört sich nicht. Wir sind höflich beim Vergasen. Dieses Wort. Irritierend. Beängstigend. Ein Unwort. Eines, das man nicht in den Mund nahm.
    Die Rattenzüchterin lächelte. Nicht freundlich, nicht warm. Eher eine schiefe Grimasse, ein Verziehen der schmalen Lippen zu einer Art verständnisvoller Belustigung.
    »Sie dachten, im Tierpark leben nur Vegetarier?«
    »Natürlich nicht.«
    Während die Frau sprach, prüfte sie die Gasanzeige und den Hahn. »Wir züchten Mäuse, Meerschweinchen, Kaninchen und Frostratten. Für die Schlangen und Greifvögel. Und Küken für die Dromedare. Alle denken, die fressen nur Heu. Tun sie aber nicht. Für heute liegt eine Bestellung aus dem Brehmhaus vor. Fünfzig Mäuse, drei Wochen alt. Ich versuche, die Tiere knapp zu halten.«
    »Beliefern Sie auch die Pekaris?«
    »Ja. Zwei mal dreißig Küken pro Woche. Außerdem bekommen sie ein Schweinefuttergemisch und manchmal was aus der Knochentonne. Die wollen was zu beißen haben.«
    Die Frau drehte den Gashahn zu. Das Zischen erstarb. Es war still.
    »Die Knochentonne?«
    »Für die Raubtiere zerlegen wir das Fleisch. Was übrig bleibt, kommt in die Abfallbehälter. Die Pfleger holen sich das, was sie brauchen. Den Rest holt die

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