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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Bewegungen, die sie vollführen, weil unsere Augen diesen vorrangig folgen, und währenddessen verschwindet die Kugel ganz woanders.«
    Die junge Bedienung trat an den Tisch und nahm die Bestellungen auf. Brock, der nicht den geringsten Appetit hatte, entschied sich für ein Carpaccio . Saaler bestellte ein Saltimbocca alla romana . Kaum war sie gegangen, nahm Brock den Faden wieder auf.
    »Ähnliches geschieht bei Paramnesien. Ich wollte unbedingt noch einmal mit dieser jungen Frau sprechen. Ich wusste nicht, warum mich das so beschäftigte, bis ich mich an diesen Zauberer im Tennisclub erinnerte.«
    »Den Zauberer? Brock, wirklich. Meine Zeit ist zu kostbar, um mir das anzuhören.«
    »Warte. Nur einen Moment. Dieser Zauberer benutzte die Ablenkung, um eine Illusion zu erzeugen. Er zeigt uns, was wir sehen wollen und sollen, und überlistet unser Gehirn, während wir abgelenkt sind. Genau das haben die beiden Schwestern, Cara und Charlie, auch gemacht.«
    »Zaubertricks?«
    »Nein. Bei ihnen war es eher eine Theatervorstellung. Die Inszenierung eines zornigen Streites zwischen zwei Schwestern. Ich habe eine Tonaufnahme davon, und ich habe sie mir wieder und wieder angehört. Wir sind ein Opfer des McGurk-Effekts geworden und haben uns aufs Glatteis führen lassen …«
    »Willst du mir damit sagen, dass diese beiden Frauen in deiner Praxis ein Täuschungsmanöver durchgeführt haben?«
    »Ja. Auch wenn sie sich dessen vielleicht nicht bewusst waren. Es ist nachgewiesen, und das weißt du ebenso gut wie ich, dass unser Gehirn die optischen Signale vorrangig vor den akustischen wahrnimmt. Gefühle, starke Gefühle erhöhen diesen Effekt noch. Wir waren emotional beteiligt. Jeremy versuchte, die beiden voneinander zu trennen, ihr Zorn, ihre Verzweiflung hat uns alle berührt. Das war es, was sich in unseren Köpfen festgesetzt hat: ein schreckliches Zerwürfnis zwischen zwei Schwestern, das schließlich in einem Selbstmord endete. Wir erinnerten uns nur noch an den Streit. Bittere Vorwürfe, aufgepeitschte Emotionen. Also hörten wir auch einen Streit. Unser Gehirn hat das, was gesagt wurde, einfach dem angepasst, was wir gesehen und erwartet haben.«
    »Und was wurde nun gesagt?«
    »Nachdem ich mir die Bänder mehrmals angehört hatte und immer noch nicht das Gesagte vom Gefühlten isolieren konnte, habe ich Frau Katz gebeten, sie mir abzutippen. Schwarz auf weiß, ohne diese starken Emotionen wie Wut, Rage, Schmerz. Es war immer noch sehr berührend, das zu lesen. Und genau diese Stellen habe ich gestrichen. Die Vorwürfe, die Beschimpfungen, die Verzweiflung, alles wurde entfernt. Ich habe so lange destilliert, bis der Bodensatz erkennbar war. Die Essenz dessen, was diese beiden Geschwister miteinander verbindet.«
    »Und was ist es?«
    »Mord.«
    Saaler schüttelte den Kopf.
    »Mord«, wiederholte Brock. Er zog ein Papier aus der Aktenmappe, die er immer bei sich trug. »Vielleicht wissen beide nicht, wovon sie reden. Doch ihr Unterbewusstsein lässt sich nicht überlisten. Ich lese es dir vor wie ein Theaterstück. Einverstanden?«
    Saaler nickte. Sein Kinn hatte er vorgeschoben wie ein Nussknacker.
    »Also Jason, hör zu. Charlie : Halt dich raus. Helden haben hier nichts verloren. Ich habe mich selten so normal gefühlt wie jetzt. Cara: Ich werde alles tun, um dir zu helfen. Alles, verstehst du? Charlie : Du kommst dagegen nicht an. Ich dachte, wir wären stärker, aber wir wurden besiegt. Ich habe keine Schwestern mehr.«
    Brock machte eine kurze Pause. Als er sah, dass Saaler ihm aufmerksam zugehört hatte, fuhr er fort: »Sie verlassen gerade die Inhalts- und gehen auf die Beziehungsebene. Sie öffnen für einen Moment ein Fenster, das nur für sie beide sichtbar ist. Charlie auf der einen, Cara auf der anderen Seite. Cara : Ich soll einfach dabeistehen und zusehen? Charlie : ›Ich bin einmal so tief in Blut gestiegen, dass, wollt’ ich nun im Waten stille stehn, Rückkehr so schwierig wär’, als durch zu gehn.‹«
    »Macbeth, dritter Aufzug, vierte Szene, ich kenne meinen Shakespeare. Offenbar belesen, diese Charlie. Das ist die Frau, die ihr Opfer den Schweinen vorgeworfen hat? Interessant.«
    »Ich habe mich geirrt. Ich habe mich in allem geirrt, was ich gesagt habe. Ich glaube, Charlotte Rubin hat mehrere Menschen getötet. Aber sie hat es nicht allein getan, jemand hat ihr geholfen.«
    »Ihre durchgedrehte Schwester?«
    Brock starrte auf den Zettel. Ihm war, als wäre er ein Archäologe und

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