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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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interessiert, ihre Patienten am Leben zu erhalten. Das eine ist doch das genaue Gegenteil des anderen.«
    Der Professor strich sich mit der Hand über das Kinn. »Dann sehe ich mehr Parallelen als Sie. Nehmen Sie Kontakt zu ihr auf. Finden Sie sie, egal wo. Es ist wichtig.«
    Jeremy nickte. »Eine Frage.«
    »Ja?«
    »Wenn die beiden so gar keinen Kontakt zueinander haben, inwieweit kann Cara Spornitz Ihnen weiterhelfen?«
    »Es geht hier doch nicht um mich«, sagte Brock erstaunt. »Es geht um das Leben von Charlotte Rubin.«

14
    A ls Jeremy Cara Spornitz zum ersten Mal sah, stand sie blutüberströmt und ziemlich ungehalten vor ihm. Schweiß glänzte auf ihrem herzförmigen Gesicht. Die Haare hatte sie straff nach hinten gebunden, doch einige dunkle Strähnen hatten sich gelöst und fielen ihr über die Augen, die in einem fast unnatürlich tiefen Violett schimmerten. Sie wollte sie wegstreifen, doch ihre Hände steckten bis zu den Ellenbogen in Gummihandschuhen, und so wischte sie sich die Stirn an ihrem erhobenen linken Arm ab und hinterließ dabei einen breiten roten Streifen. Sie trug ein altes T-Shirt unter der Schürze, und alles, was Jeremy sonst noch erkennen konnte, waren Gummistiefel, ausgewaschene Jeans, eine schmale, aber zähe und sportliche Figur und jede Menge Ärger in ihren Augen, die ihn angriffslustig anblitzten.
    Aus dem Stall kam das laute Muhen einer Kuh.
    »Was gibt’s denn so Dringendes?«
    Er war mitten in die komplizierte Geburt eines Kalbes gestolpert. Die Frau, die in Caras Praxis so lange die Stellung hielt, bis ihre Chefin wieder im Haus war, hatte ihn in ein winziges Dorf hinter Vockerode geschickt. Jeremy hatte den Namen in dem Moment vergessen, in dem er Cara Spornitz gegenüberstand.
    »Platzen Sie immer so herein, ohne anzuklopfen?«
    »Es tut mir leid. Ich wollte nicht stören.«
    Sie streifte sich mit energischen Bewegungen die blutigen Handschuhe ab und schüttelte den Kopf. Jeremy wollte sie nicht darauf aufmerksam machen, dass er sehr wohl geklopft und gerufen hatte. Eine ältere Frau im Vorderhaus, die noch ein Kopftuch trug und ihn daran erinnerte, dass die Zeiten von Tracht und Kopfbedeckung auch in Deutschland noch gar nicht so lange her waren, hatte ihn zum Stall geschickt. Unterwegs war er an einem VW Passat vorbeigekommen, der aussah, als ob er nur noch von dem getrockneten Schlamm auf seiner Karosserie zusammengehalten wurde. Auf diesen Wagen ging Cara Spornitz zu, öffnete die nicht abgeschlossene Beifahrertür und holte eine Flasche Wasser heraus.
    Sie trank mit geschlossenen Augen. Er beobachtete, wie sich dabei die Muskeln an ihrem schmalen Hals bewegten. Sie waren fast gleich alt, aber sie wirkte wesentlich jünger. Ihr Gesicht erinnerte ihn an das einer Porzellanpuppe: seltsam bleich, mit leicht geröteten Wangen und einem kleinen, rosigen Mund. Als sie die Flasche absetzte und ihn wieder ansah, verflüchtigte sich der Eindruck sofort. Sie hatte nichts Puppenhaftes an sich. Sie sah einfach nur sehr gesund aus und war mit einer Stupsnase gesegnet, deren Niedlichkeit sie durch das ärgerliche Stirnrunzeln fast komplett konterkarierte.
    »Mein Name ist Jeremy Saaler. Ich versuche seit Tagen, Sie zu erreichen. Sie haben nie zurückgerufen.«
    Er hatte seine Nachrichten mit der Bemerkung hinterlassen, es gehe um ihre Schwester. Jede andere hätte sich sofort gemeldet. Nicht Cara Spornitz. Sie ließ sich verleugnen, war ständig unterwegs oder hatte Sprechstunde. Seine Bitten um Rückruf waren von ihr beharrlich ignoriert worden. Schließlich hatten er und Brock sich darauf geeinigt, dass Jeremy es persönlich versuchen sollte. Es war Freitagnachmittag. Auf den jungen Psychologen warteten eine Runde Golf mit seinem Vater und Henny, ein langweiliges Wochenende mit Fachliteratur, eine schon längst überfällige und immer wieder angemahnte Aussprache mit seiner Ex, die sich vor Monaten mit dem Hinweis von ihm getrennt hatte, das Leben an seiner Seite sei so spannend wie das eines Laternenmastes, und die trotzdem immer wieder darauf bestand, jede einzelne von Jeremys Unterlassungen und Fehlleistungen zu diskutieren. Er hätte noch ins Fitnessstudio gehen können, das er in letzter Zeit etwas vernachlässigt hatte, oder mit einem Bekannten aus Studienzeiten erst ins Kino und dann in einen der Clubs oder eine der angesagten Bars, für die er sich weder weltläufig noch reich genug fühlte und die er im Morgengrauen jedes Mal mit brummendem Schädel und dem Gefühl,

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