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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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dieser sonnengegerbten Haut ist das schwer zu sagen.«
    »Wie lange ist er geblieben?«
    »Hm, das weiß ich nicht genau, es gab eine kleine Krise mit Eddie, also Mr. Tibbett, der hingefallen war, und wir mußten ihn wieder ins Bett heben und dann den Arzt rufen, um sicherzugehen, daß er sich nicht ernsthaft verletzt hatte, und als ich das nächste Mal in Agnes’ Zimmer sah, war er weg – ihr Enkel, meine ich …«
    Ganz klar waren eher Kleidung und Aussehen ihre Spezialität.
    »Sie haben nicht zufällig gesehen, wie er hergekommen ist?« fragte Novello weiter. »Mit dem Auto? Taxi? Fahrrad?«
    »Tut mir leid«, entgegnete Sally. »Er war in der Eingangshalle, als ich ihn das erste Mal sah, und ich weiß nicht, wie er …«
    Dieses Mal hielt sie von selbst inne und sah Novello schuldbewußt an.
    »Schon gut«, meinte Novello fröhlich. »Ist egal. Sie haben mir sehr geholfen. Es ist nicht so wichtig. So was, Agnes’ Enkel! Ich wette, sie spricht seither von nichts anderem.«
    »Na ja«, sagte Sally, »sie spricht nicht gerade viel. Sie hat Schwierigkeiten, die rechten Worte zu finden, wissen Sie. Ich hab nach ihm gefragt, einfach so, um ein bißchen Konversation zu machen. Aber sie sagte nur: ›Ich wußte, daß er kommen würde, er ist ein guter Junge, was immer sie sagen.‹ Und als ich weiter fragte, machte sie einfach die Augen zu, also hab ich nichts mehr gesagt. Ich dachte, daß sie die Erinnerung vielleicht für sich behalten möchte. Das ist vielleicht das einzige, was sie noch hat.«
    Novello lächelte und sagte: »Nein, sie hat gute Schwestern und Freunde wie Sie, Sally, und das ist viel wert. Ich danke Ihnen. Sie waren eine große Hilfe.«
    Das Mädchen errötete, warf einen Blick auf die Heimleiterin, die ihr zunickte, und eilte aus dem Zimmer.
    »Sie können gut mit Menschen umgehen«, sagte Saltair.
    »Danke. Und nochmals Entschuldigung, daß ich Sie wegen Winifred verärgert habe.«
    »Sie prüfen es trotzdem nach?«
    »Wenn ich Ihnen sagen würde, daß einer Ihrer Patienten kein Herzleiden hat, würden Sie das dann einfach in sein Krankenblatt übernehmen?«
    »Sicherlich nicht. Aber Winifred ist keine Ihrer Patientinnen. Ich meine, sie hat doch nichts mit dieser anderen Geschichte zu tun, oder?«
    »Soweit ich das sehen kann, nicht«, antwortete Novello. »Überhaupt nicht.«
    »Dann war Sally doch keine Hilfe?«
    »In gewisser Hinsicht schon. Aber manchmal bedeutet mehr Information einfach nur mehr Verwirrung.«
    »Das Gefühl kenne ich. Wie bei Krankheitssymptomen. Die helfen auch nicht immer, die richtige Diagnose zu stellen.«
    Novello streckte die Hand aus.
    »Jedenfalls vielen Dank für Ihre Hilfe. Hören Sie, ich sehe keine Veranlassung, Agnes im Moment wegen dieser Angelegenheit zu stören. Oder überhaupt irgendwann, so wie es sich anhört. Aber vielleicht denken andere da anders. Ich muß das mit meinen Vorgesetzten besprechen. Vielleicht wollen die mit ihr reden.«
    »Dann müssen sie zuerst mit mir reden«, sagte Billie Saltair mit herausforderndem Lächeln. »Niemand sagt mir, was hier auf ›Wark‹ zu tun ist.«
    »Nicht einmal Ihr Boß?«
    »Mein Boß?« Saltair klang überrascht.
    »Der Besitzer. Der Facharzt, der Ihnen das Angebot machte, das Sie nicht ausschlagen konnten.«
    »Ach, mein Mann?« Sie mußte über Novellos erstauntes Gesicht lachen. »Ich hätte es Ihnen sagen sollen. Das war das Angebot, das ich nicht ausschlagen konnte. Er ist jetzt im Ruhestand.« Sie lächelte hintergründig. »Ich habe ihm gesagt, daß hier ein Bett für ihn bereitsteht, sobald er erste Anzeichen von Altersschwäche zeigt – etwa, sich in meinen Führungsstil einzumischen. Ich glaube, er nimmt es halbwegs ernst.«
    Das tue ich auch, dachte Novello, während sie wieder in die grelle Hitze der Moorlandschaft hinaustrat.
    Das tue ich auch!

Fünf
    W ield gähnte.
    Sergeant Clark, für gewöhnlich nicht besonders phantasiebegabt, mußte unweigerlich an einen Besuch des Wookey Hole denken, den er vor Jahren unternommen hatte.
    »Was sagten Sie, Nobby?«
    Wields Gesicht hatte wieder seine ursprüngliche zerklüftete Form angenommen.
    »Ach ja. Sie meinte, lieber Sie als der Superintendent, falls das möglich wäre.«
    Constable Novello hält mich also für umgänglicher als den dicken Andy, dachte Wield. Soll ich mich geschmeichelt fühlen?
    Er gähnte erneut. Die Müdigkeit kam nicht nur durch sein außergewöhnlich frühes Aufstehen. Der Besuch im Krankenhaus hatte sehr viel emotionale

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