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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Mid-Yorkshire Polizeipräsidium verließ und seinen gemächlichen Rundgang durch die Stadtmitte antrat. Sein Schritt war nicht gerade majestätisch; tatsächlich bewegte er sich wie eine Marionette, deren Führer die Fäden verheddert hatte. Diese Metapher traf auch auf die Einstellung seiner Vorgesetzten zu. Es war schwierig gewesen, für einen Mann seiner Fähigkeiten den passenden Einsatzbereich zu finden. Eine Zeitlang war man sich einig gewesen, daß dem öffentlichen Wohl am besten gedient wäre, wenn man Hector tief in den Eingeweiden des Gebäudes unter Verschluß hielt, wo er Akten ordnete. Doch die zunehmende Computerisierung hatte dem ein Ende bereitet. Obwohl es ihm strengstens verboten war, irgend etwas anzufassen, das Schalter, Knöpfe oder Lichter hatte oder summende Geräusche von sich gab, schien allein schon Hectors Anwesenheit die Funktionsweise elektronischer Geräte zu stören. »Er ist ein menschliches Virus«, erklärte der verantwortliche Leiter der Dienststelle. »Schafft ihn hier raus, sonst hat er sich binnen vierzehn Tagen ins Pentagon durchgefressen!« Nachdem er zu Schreibtischarbeit verdonnert worden war, beschwerten sich Bürger, daß sie von der Wassergesellschaft besser betreut würden. Schließlich, nach einem Aufruf in der »Evening Post«, die Bobbies wieder auf die Straße zu bringen, da eine Studie des Instituts für Angewandte Psychologie der Universität von Mid-Yorkshire erwiesen habe, daß lebensgroße Polizisten-Pappaufsteller in Supermärkten die Diebstahlrate um die Hälfte senkten, meinte der Chief Constable: »Nun, darin zumindest können wir Abhilfe schaffen«, und schickte Hector auf Streife.
    Allerdings nicht ohne notwendige Sicherheitsvorkehrungen. Hector mußte sich alle halbe Stunde über Funk melden, ansonsten wurde ein Wagen losgeschickt, um ihn zu suchen. Falls seine Hilfe in schwerwiegenderen Dingen benötigt wurde, als die Uhrzeit anzugeben, sollte er in der Zentrale Anweisungen erbeten. Außerdem wurde ihm strengstens untersagt, auch nur ansatzweise in die Verkehrsregelung einzugreifen, da sein letzter Versuch in dieser Hinsicht zu einem totalen Verkehrsstillstand geführt hatte, der den Chief Constable seinen Zug verpassen ließ.
    Als am Morgen Wields korrigierte Kopien von Benny Lightfoots Foto verteilt wurden, hatte Hector mit den anderen sein Exemplar an sich genommen mit der Anweisung, Passanten zu befragen, ob sie diesen Mann schon einmal gesehen hätten. Die Anweisung war eigentlich an die Beamten in den Streifenwagen gerichtet gewesen, die insbesondere die Tankstellen der Gegend abfahren und sich erkundigen sollten, ob der Campingbus irgendwo Benzin getankt hatte. Anwohnerbefragungen waren nur für den Bereich Danby angesetzt worden. Doch Hector, der sich über eine ihm verständliche Aufgabe freute, hielt jedem vorbeikommenden Fußgänger Bennys Bild vor die Nase und fragte: »Haben Sie diesen Mann gesehen?«, blieb jedoch selten lange genug stehen, um die Antwort zu hören, da er bereits das nächste Opfer erspähte und zu ihm eilte.
    So war er nun leicht irritiert, als ihm jemand auf die Schulter tippte, während er einem jungen Skateboardfahrer den Weg verstellte. Er drehte sich um und erblickte die Frau, die er gerade eben befragt hatte.
    »Was?« wollte er wissen.
    »Ich habe ja gesagt«, erwiderte sie.
    »Hä?«
    »Sie haben mich gefragt, ob ich diesen Mann gesehen habe, und ich habe ja gesagt.«
    »Oh.«
    Er runzelte fassungslos die Stirn, auch weil er soeben bemerkte, daß der Skateboardfahrer die Gelegenheit ergriffen hatte, das Weite zu suchen.
    »Gut«, sagte er. »Sie haben ihn also gesehn?«
    »Das habe ich eben gesagt.«
    Es war nicht zu leugnen.
    Er sagte: »Warten Sie einen Moment, bitte«, und studierte sein Funkgerät. Einer der Knöpfe war von einem wohlmeinenden Sergeant leuchtend orange angemalt worden, und dazu hatte er in Hectors Notizbuch geschrieben: »Wenn Sie sprechen wollen, drücken Sie den orangefarbenen Knopf.«
    Hector konnte sich an diesen Satz genau erinnern, schaute aber zur Sicherheit noch einmal in dem Büchlein nach.
    »Hallo?« sagte er. »Hier spricht Hector. Over.«
    Er hatte einen offiziellen Funkspruch, aber niemand war so dumm, darauf zu bestehen.
    »Hector, Sie sind Ihrer Zeit aber voraus. Sie sollten sich doch erst in zehn Minuten wieder melden.«
    »Ich weiß. Aber es geht um dieses Foto, das Sie mir gegeben haben. Ich hab’s einer Frau gezeigt, und sie sagt, sie hat den Mann gesehn. Was soll ich jetzt

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