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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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unbedingt ausdrücken«, entgegnete Chloe. »Aber wie ich schon sagte, wir sind blutsverwandt, und man muß seine Verwandten nicht immerzu mögen, oder? Sie hat mir geholfen, glaube ich. Oder vielleicht war es nur die Zeit, die mir geholfen hat.«
    »Daß es dir bessergeht, meinst du?«
    »Nicht unbedingt. Wie bei Elizabeths Haaren gibt es keine Heilung für das, was in mir kaputtgegangen ist. Aber man lernt, mit einer Perücke zu leben. Wie auch immer – vor vier Jahren, als Walter immer mehr Zeit in der Firma hier verbrachte, hörte ich mich selber sagen, ob es nicht sinnvoller wäre, wenn wir hier herziehen. Er war sehr überrascht. Ich auch. Er fragte: ›Bist du sicher?‹ Und ich sagte, weil ich schließlich eine Frau bin und wir unsere Chancen nutzen müssen: ›Ja, aber nur wenn wir uns ein Haus im Glockenviertel kaufen.‹ Und hier sind wir.«
    »Du wolltest nicht mehr auf dem Land leben?«
    Chloes Gesicht wurde traurig, und sie sagte leise: »Nein. Ich bin ein Mädchen vom Land, durch und durch, aber jetzt kann ich es nicht einmal ertragen, aus dem Zug oder Auto zu blicken, wenn wir durch die Landschaft fahren. War das nun genug, Inger? Habe ich deine Neugier befriedigen können?«
    »Wie beim Sex: nur bis zum nächsten Mal«, sagte Inger.

Vier
    E dgar Wield hätte an jenem Morgen nichts gegen langes Ausschlafen gehabt.
    Sein schlechtes Gewissen hatte ihn noch am vorigen Morgen früh geweckt, und das schlechte Gewissen des Dicken hatte ihn noch bis spät in der Nacht wachgehalten. Doch er ließ seinen morgendlichen Besuch bei Monte ausfallen, um rechtzeitig zum Krankenhaus zu kommen, und ein erneutes Fernbleiben würde sein Gewissen nur noch mehr belasten, also stieg er zu seiner gewohnt unchristlichen Zeit (Zitat Edwin) aus dem Bett.
    So unchristlich schien sie allerdings auch wieder nicht zu sein, denn als er über den Kirchhof spazierte, ging die Kirchentür auf, und der Vikar Larry Lillingstone trat heraus. Er war ein gutaussehender junger Mann, der in seinem nicht klerikalen Gewand, bestehend aus Unterhemd und Shorts, mehr wie ein Adonis als ein Anglikaner aussah.
    Wield ließ einen anerkennenden Blick über die braungebrannten Beine gleiten und sagte: »Morgen, Larry. Ist das die neue Kraft des Christentums?«
    »Ich wollte gerade joggen gehen«, erwiderte Lillingstone lächelnd. »Dies ist wirklich die beste Tageszeit dafür. An einem Morgen wie diesem mag man kaum glauben, daß mit der Welt etwas nicht stimmt, oder?«
    Wield dachte an die Dacres, die aus ihrem, wenn überhaupt, dann durch Chemikalien herbeigeführten Schlaf erwachten, und an die Pascoes, die an Rosies Bett verzweifelte Wache hielten. Doch Freude war in den letzten Tagen so selten und erfrischend wie Regen geworden, also erwiderte er das Lächeln und sagte: »Stimmt genau. Vor allem, wenn man der Glückspilz ist, der ein so hübsches Mädchen wie Kee Scudamore abgekriegt hat. Ich schätze, ich darf gratulieren, wie?«
    »Wie um alles in der Welt … wir haben uns erst gestern verlobt und es noch niemandem gesagt …« Dann lachte Lillingstone und fuhr fort: »Was rede ich nur? Wir sind schließlich in Enscombe! Ja, Kee wird mich heiraten, und ich bin der glücklichste … Teufel noch eins!«
    Dieser unfromme Ausruf wurde durch das plötzliche Herabfallen einer kleinen haarigen Kreatur aus der alten Eibe ausgelöst, unter der sie gerade standen.
    »Wie geht’s, Monte?« rief Wield und zog sich den kleinen Affen vom Kopf, der sich zeternd in den Haaren festgekrallt hatte. »Was ist los, Vikar? Dachten Sie, der Teufel selbst sei zu Besuch gekommen?«
    »Ist schon seltsam, wie mittelalterlich der Geist in Augenblicken der Anspannung denken kann«, gestand Lillingstone.
    »Nur keine Angst. Ich mußte gestern meinen Besuch ausfallen lassen, und offensichtlich hat der kleine Bursche beschlossen, daß dies kein zweites Mal vorkommen soll, und kam mich suchen. Stimmt’s, Monte?«
    »Tja, falls Sie mal der zweite vermißte Polizist von Enscombe werden sollten, brauchen wir für Sie jedenfalls keinen Suchtrupp«, meinte Lillingstone in Anspielung auf das Ereignis, das Wield ursprünglich nach Enscombe verschlagen hatte.
    »Nein«, entgegnete Wield gedankenverloren. »Nein. Wahrscheinlich nicht. Entschuldigen Sie mich, Vikar, aber ich glaube, ich fahre lieber gleich zur Arbeit. Viel Spaß beim Laufen. Und dir, kleiner Stinker, viel Spaß mit deinen Nüssen.«
    Er legte ein Baumwollsäckchen mit Erdnüssen in Montes Hände, warf das Tier

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