Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
war am frühen Nachmittag angekommen, also wußte sie nicht, ob er am Vormittag außer Haus gewesen war. Jedenfalls stand nur noch ein Bagger auf dem Grundstück, was bedeutete, daß alle anderen irgendwo im Einsatz waren. Vielleicht war Geordie nach dem Angriff nicht danach, selbst rauszufahren.
    Zum Glück war Novello so schlau gewesen, ein belegtes Sandwich und eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank der Einsatzzentrale mitzunehmen. Dennoch hatte sie nach der langen Zeit in der Hitze das Gefühl, daß sie noch vor Ende des Tages verbrannt, vertrocknet und verhungert sein würde. Und noch immer geschah nichts. Das Gute an diesem Nichts war zumindest, daß niemand sie nach den Gründen für ihren Aufenthalt fragte. Das Schlechte war, daß Novello, nachdem sie eine Stunde lang nichts mehr von Turnbull gesehen hatte, allmählich befürchtete, daß er irgendwie zur Hintertür hinausgeschlüpft und über die Felder weggeschlichen war. War da eine Hintertür in der Umzäunung gewesen? Sie versuchte, sich zu erinnern, wußte es aber nicht mehr.
    Vielleicht sollte sie einen Spaziergang machen. Selbst wenn er sie entdecken sollte – er hatte sie ja erst einmal gesehen und würde sich bestimmt nicht mehr an sie erinnern, oder?
    Nein, da machte sie sich etwas vor. Sie dachte an Turnbulls schamlos anerkennenden Blick, der einer Frau eher schmeichelte als sie beleidigte, was zum Teil wohl daran lag, daß man sich als Individuum wahrgenommen fühlte und nicht als Trägerin von Titten und Muschi. Wenn Geordie Turnbull sich einmal ein Gesicht gemerkt hatte, konnte man wohl wetten, daß er es nicht mehr vergaß.
    Doch gerade als sie abwägte, ob professionelle Dringlichkeit oder persönliches Vergnügen einen Spaziergang notwendig machten, geschah etwas.
    Ein Transporter bog in das Grundstück ein. Ein schwabbelig dicker Mann stieg aus und setzte sich keuchend vor Anstrengung auf das Trittbrett. Er trug Fußball-Shorts und ein Netzhemd, durch dessen rautenförmige Maschen rote Haut schimmerte. Schließlich hatte er sich weit genug erholt, daß er aufstehen, eine Plastiktüte aus dem Fahrerhäuschen nehmen und zum Bungalow gehen konnte, dessen Tür sich prompt öffnete. Er ging ins Haus. Zwanzig Minuten später kam er wieder heraus, ohne die Tüte, dafür mit einer Dose Bier in der Hand. Novello beobachtete voller Neid, wie er die letzten Tropfen in den Mund schüttete und Turnbull die leere Dose gab, der sie hinter sich auf den Boden warf. Dann hievten die beiden Männer eine riesige Schaufel auf den Transporter, zurrten sie fest und schüttelten einander die Hand. Turnbull blickte dem Fahrzeug nach, wie es sich von seinem Grundstück entfernte, und kehrte in seinen Bungalow zurück.
    Novello notierte sich die Nummer des Transporters, funkte die Hauptzentrale an und bat um eine Überprüfung. Das Fahrzeug war auf die Firma Kellaway Plant Sales zugelassen, Inhaber: Liberace Kellaway. Novello gab den geschätzten Aufenthaltsort des Fahrzeugs durch und erkundigte sich, ob es wohl im Rahmen einer Polizeikontrolle angehalten werden könne, vorgeblich wegen einer Überprüfung der Stabilität oder ähnlichem, tatsächlich jedoch, um soviel wie möglich über die Herkunft der Schaufel in Erfahrung zu bringen. Als der diensthabende Sergeant der Hauptzentrale sich erkundigte, wer den überaus eingespannten Streifenpolizisten die Zeit stehlen wolle, und durchklingen ließ, daß es besser kein so geringer Dienstgrad wie ein Constable sein sollte, dachte Novello an Schafe und Lämmer und sagte: »Mr. Dalziel wäre dafür sehr dankbar.«
    In Mid-Yorkshire Polizeikreisen war dies mit einem königlichen Befehl gleichzusetzen, und bereits eine halbe Stunde später erhielt Novello Antwort. Der Transporter, an dessen Steuer Mr. Kellaway persönlich saß, hatte alle Tests zufriedenstellend bestanden. Was die Schaufel betraf, so war sie gerade dem Abrißunternehmen von G. Turnbull in Bixford abgekauft worden, und der Fahrer hatte die entsprechenden Papiere vorweisen können.
    Novello murmelte ihren Dank und bat darum, daß diese Sache nicht weiter über Funk erwähnt werden solle, in der Hoffnung, dadurch den Zeitpunkt hinauszuschieben, an dem der Dicke entdeckte, daß sein Name mißbraucht worden war.
    Dann richtete sie sich erneut aufs Warten ein – immer noch hungrig, immer noch schwitzend, doch erfrischt durch das Gefühl der Hoffnung, das sie überkam, als sie allmählich ahnte, was dieser Schlaumeier Pascoe sich vermutlich schon vor

Weitere Kostenlose Bücher