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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Kinder liefen rum und hatten Todesangst. Ich dachte, ich würde das nie vergessen. Aber man vergißt es doch. Oder zumindest, wie Sie das sagen, schiebt man es so weit hinten in den Hinterkopf, daß es ist wie Vergessen … Und man wird älter und fühlt sich allmählich sicher, und man kriegt selbst ein Kind und erlaubt sich nie, daran zu denken … Aber das war falsch, Mister! Wenn ich es nicht in den Hinterkopf gedrängt hätte, wenn ich es nur immer vor Augen gehabt hätte … Etwas wie das ist zu wichtig … zu schrecklich … um es nur im Hinterkopf …«
    Sie brach unter Tränen zusammen und wurde von den tröstenden Armen der Schwägerin umschlungen. Dann öffnete sich die Tür, und eine ältere Frau betrat den Raum. Diesmal war die Ähnlichkeit nicht zu übersehen. Sie sagte: »Elsie, ich war unten bei Sandra … Ich hab’s gerade erst gehört …«
    »Oh, Mam«, schluchzte Elsie.
    Die Schwägerin wurde beiseite geschoben, und sie warf sich ihrer Mutter in die Arme, als könnte sie Hoffnung und Trost aus ihr herauspressen.
    Dalziel sagte: »Mrs. Coe, warum machen Sie uns allen nicht eine Tasse Tee?«
    Die drei Polizisten begleiteten sie in die Küche. Das war auch gut so, denn dort pfiff ein Wasserkessel bereits dampfschnaubend auf höchster Gasstufe. Mrs. Coe ergriff ein Handtuch und benutzte es als Topflappen, um den Kessel von der Flamme zu ziehen.
    »Oh, der Tee wird gut!« sagte Dalziel. »Das Wasser muß immer richtig heiß sein. Mrs. Coe, was halten Sie von Tony Dacre?«
    »Was ist denn das für ’ne Frage?«
    »Eine ganz einfache. Was haben Sie Ihrem Schwager gegenüber für ein Gefühl?«
    »Ich will erst mal wissen, wozu Sie das fragen.«
    »Stellen Sie sich doch nicht dumm. Sie wissen genau, warum ich das frage. Wenn ich ihn aus dem Kreis der Verdächtigen ausschließen kann, muß ich dieses Haus nicht in seine Einzelteile zerlegen.«
    Ehrlichkeit ist nicht nur die beste Politik, sie ist gelegentlich auch die beste Form polizeilicher Gewalt, dachte Pascoe, der beobachtete, wie die robuste Frau schockiert innehielt.
    Dalziel fuhr fort: »Bevor Sie anfangen, mich anzuschreien, denken Sie lieber weiter. Wollen Sie etwa, daß ich die arme Frau frage, ob ihr Mann ein Hitzkopf ist oder sich auffallend innig für seine kleine Tochter interessiert? Sie sind doch nicht dumm, Mrs. Coe, Sie wissen, daß solche Dinge passieren. Also sagen Sie mir einfach, ob es irgend etwas gibt, das ich über Tony Dacre wissen muß.«
    Sie fand ihre Stimme wieder.
    »Nein, da gibt es nichts. Ich mag ihn nicht besonders, aber das ist was Persönliches. Was Lorraine angeht, er betet die Kleine an, ich meine, wie ein Vater das eben so tut. Wenn Sie mich fragen, verwöhnt er sie über alle Maßen – er wäre ihr wohl nicht mal böse, wenn sie das Haus anzünden würde. Gott im Himmel, Ihren Job möchte ich für tausend Pfund nicht haben! Sind die Dinge hier nicht schon schlimm genug, ohne daß Sie dazu noch so was Schweinisches denken müssen?«
    Sie klang erregt, doch es gelang ihr, die Stimme auf Zimmerlautstärke zu halten.
    »Wunderbar«, sagte Dalziel mit einem freundlichen Lächeln. »Bringen Sie den Tee, wenn er fertig ist, ja?«
    Er ging hinaus und zog die Tür hinter sich zu. Dabei fiel Pascoe auf, daß dahinter ein Hundekorb mit einem kleinen Mischling auf dem Boden stand, irgend etwas zwischen Cockerspaniel und Terrier. Der Hund hatte die Augen geöffnet, rührte sich aber nicht. Als Pascoe sich über ihn beugte, legte er sofort die Ohren an und knurrte leise. Pascoe gab besänftigende Laute von sich, und obwohl die Augen des Tieres mißtrauisch blieben, ließ es sich zwischen den Ohren kraulen. Doch als Pascoes Hand tiefer bis zu seiner Schulter wanderte, knurrte er wieder laut und bedrohlich und richtete sich auf.
    »Hat schon jemand den Tierarzt gerufen?« wollte er wissen.
    »Das ist ja wohl die Höhe!« ereiferte sich Mrs. Coe. »Meine Nichte wird vermißt, und alles, worum Sie sich Sorgen machen, ist dieser verdammte Köter!«
    Der Sergeant antwortete: »Nicht, daß ich wüßte. Ich meine, mit allem anderen hier …«
    »Tun Sie es jetzt, ja? Ich möchte kein Tier leiden sehen, aber vor allem möchte ich wissen, woher es seine Verletzungen hat.«
    »Ja, klar. Daran hab ich nicht gedacht, Sir«, erwiderte Clark schuldbewußt. »Ich werd mich sofort darum kümmern.«
    Mrs. Coe, die in der Zwischenzeit den Tee aufgebrüht hatte, schob sich verärgert an den Männern vorbei. Clark folgte ihr,

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