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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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stehen, ging zurück und sagte: »Wenn du natürlich lieber hier ein paar Fragen beantworten möchtest, müssen wir dich danach vielleicht nicht weiter behelligen. Wer hat den Spruch aufgesprüht? Es ist immer interessant zu sehen, ob die Geschichten zusammenpassen. Warst du das oder Kittle?«
    Es funktionierte. Der Junge erwiderte: »Sie haben mit Vern gesprochen? Was hat er gesagt?«
    Pascoe lächelte vielsagend. »Tja, du kennst doch Vern.«
    »Wovon zum Teufel spricht dieser Verrückte da?«
    Hardcastle Senior hatte seine Stimme wiedergefunden.
    Pascoe sagte: »Ich spreche von dem Satz BENNY IST WIEDER DA !, den Ihr Sohn und sein Freund an die alte Eisenbahnbrücke und diverse andere Stellen in diesem Ort gesprüht haben. Und in Anbetracht der Tatsache, daß Lorraine Dacre seit gestern morgen verschwunden ist, würde mich interessieren, warum sie das getan haben.«
    »Damit hatte das gar nix zu tun«, protestierte der Junge voller Panik. »Wir haben das Samstagnacht gemacht. Da wußten wir doch noch gar nix von dem Mädchen.«
    »Und warum habt ihr das getan?« wollte Pascoe wissen. »Aus einer Laune heraus? Dachtet ihr etwa, das wäre lustig? Vielleicht hat gerade dieser Satz irgend jemanden darauf gebracht, sich ein Mädchen zu schnappen. Vielleicht hat er dich und Vernon darauf gebracht …«
    »Nein!« rief der Junge. »Ich hab das geschrieben, weil mir dieser Benny Scheiß-Lightfoot bis hier oben steht! Mein ganzes Leben lang verfolgt er mich. Seh’n Sie sich doch um, ob Sie irgendwo ein Bild von mir oder June entdecken können. Nein, nur von Jenny, die vor ewigen Zeiten von Benny Lightfoot geschnappt wurde. Zu ihrem Geburtstag gibt’s sogar Kuchen, mit Kerzen drauf und allem, können Sie sich das vorstellen? Tja, am Samstag hatte ich Geburtstag, und ich hab ausgeschlafen und bin mittags aufgestanden und dachte, es gibt vielleicht Geschenke und ’ne Karte und ein besonderes Essen, und was war? Gar nix war! Meine Mam hockt zitternd da, und Dad tobt rum wie’n Irrer, und wissen Sie, warum? Sie war draußen gewesen und hat Benny Lightfoot gesehen! Ich hab Geburtstag, und alles, was ich zu hören kriege, ist: ›Er ist wieder da, Benny ist zurück!‹ Also bin ich weg, und später hab ich mit Vern ein paar Bier getrunken, und er sagt: ›Tja, wenn er zurück ist, dann können wir’s ja auch allen sagen und sehen, ob wir nicht noch ’n paar Leuten ihren Scheißgeburtstag versauen können.‹«
    »Und da habt ihr das an die Wände gesprüht? Tolle Idee«, sagte Pascoe.
    Der Junge zitterte vor Erregung nach diesem Ausbruch, doch seine Mutter sah noch viel mitgenommener aus.
    »Oh, Jed, es tut mir leid … Es tut mir ja so leid …«
    Pascoe begann: »Mrs. Hardcastle, ich muß Sie fragen …«, doch Clark schob sich an ihm vorbei, stieß ihn beinahe aus dem Weg, faßte die Frau am Arm und sagte: »Ich kümmere mich darum, Sir.« Damit führte er sie in die Küche.
    Interessant, dachte Pascoe.
    Er wandte sich an Mr. Hardcastle. »Haben Sie Lightfoot auch gesehen, Sir?«
    »Nein!« bellte er. »Glauben Sie etwa, ich würd ihn seh’n und ihm nicht den Hals umdrehn? Aber ich hab immer gewußt, daß er zurückkommt. Seit Jahren sag ich schon, es ist nicht vorbei, noch lange nicht. Alle, die gedacht haben, daß sie sicher sind, die haben ganz fromm geguckt und gesagt, wie leid es ihnen tut, aber gedacht haben sie die ganze Zeit: ›Gott sei Dank war es dein Kind und nicht meins, Gott sei Dank bin ich noch mal davongekommen.‹ Elsie Dacres Mädchen ist also verschwunden, ja? Die kleine Elsie Coe. Sie war selbst noch ein Mädchen, als es damals passierte, und ich weiß noch, wie ihr Vater sagte, daß er sich drum kümmern würde, daß ihr nix passiert, und wenn er sie in den Keller sperren müßte. Aber es ist doch passiert, oder? Nun ist es doch passiert.«
    »Wir wissen noch nicht, was passiert ist, Sir. Aber wir müssen alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.«
    Er wandte sich dem Jungen zu. Dort sah er keinen Trotz mehr und keine Wut, sondern nur das Gesicht eines unglücklichen Kindes mit Tränen in den Augen.
    Hardcastle hatte recht. Egal, ob Benny Lightfoot wirklich zurück war oder nicht – es war noch nicht vorbei, zumindest nicht für diesen Jungen und seine Schwester, weil es für ihre Eltern nie vorbei sein würde.
    Gutmütig sagte er: »Du bist sehr dumm gewesen, Jed, und vielleicht muß ich noch einmal mit dir reden. Wie wäre es, wenn du inzwischen wieder zu deiner Arbeit gehst?«
    Jed nickte

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