Das Dorf in den Lüften
einem Anfalle durch Raubthiere entflohen wären?… Lebten der Doctor Johausen und der Eingeborne überhaupt noch heute?
Alle diese verschiedenen Fragen drängten sich den beiden Freunden auf. Leider konnten sie für keine Vermuthung eine annehmbare Erklärung geben, und so verloren sie sich immer mehr in die Dunkelheit des Geheimnisses.
»Wir wollen doch in dem Notizbuche nachsehen, schlug John Cort vor.
– Ja, das ist das einzige, was uns übrig bleibt, sagte Max Huber. Vielleicht können wir, wenn es auch keine ausführlichen Mittheilungen enthält, schon aus etwaigen Zeitangaben weitere Schlüsse ziehen.«
Max Huber schlug das Notizbuch auf, in dem einige Blätter, die feucht geworden waren, aneinander klebten.
»Ich glaube nicht, daß dieses Buch uns besonderen Aufschluß geben wird, bemerkte er.
– Warum denn?
– Weil alle Seiten darin, mit Ausnahme der ersten, unbeschrieben sind.
– Nun… und diese erste Seite, Max?…
– Die enthält einige abgerissene Sätze, auch einige Datumangaben, wahrscheinlich bestimmt, dem Doctor Johausen später bei der Abfassung eines Reiseberichtes zu dienen.«
Max Huber gelang es, wenn auch mit einiger Schwierigkeit, die folgenden, mit Bleistift geschriebenen Zeilen zu entziffern.
»29. Juli 1896. – Mit den Trägern und meinem Diener am Rande des Waldes von Ubanghi eingetroffen. – Gelagert am rechten Ufer eines Flusses. – Unser Floß gebaut.
»3. August. – Das Floß fertig gestellt. – Die Begleitmannschaft nach Nghila zurückgeschickt. – Mit meinem Diener eingeschifft.
»9. August. – Den Fluß sechs Tage lang ohne Hinderniß befahren… Bei einer Lichtung angehalten. – Viele Affen in der nächsten Umgebung. – Die Stelle scheint recht passend zu sein.
»13. August. – Unsere Einrichtung vollendet. – Die Käfighütte bezogen. – Die Nachbarschaft völlig menschenleer. – Auch keine Spuren oder Fährten von Eingebornen oder anderen. – Wasserwild im Ueberfluß. – Der Fluß sehr fischreich. – In der Hütte bei einem schlimmen Wetter gut geschützt.
»25. August. – Siebenundzwanzig Tage verflossen. – – Unser Leben regelmäßig geordnet. – Einige Hippopotamusse im Wasser, doch kein Angriff durch diese. – Elenthiere und Antilopen erlegt. – In der Nacht drängen sich große Affen an die Hütte heran. – Welcher Art sie angehören, habe ich noch nicht zu erkennen vermocht. Einmal auf dem Boden umherlaufend und einmal in den Baumkronen hin und her springend, zeigen sie doch keine feindlichen Absichten. – Habe etwa hundert Schritte weit von hier einen Feuerschein unter dem Hochwalde wahrzunehmen geglaubt. Merkwürdig! Diese Affen scheinen zu sprechen, mit einander zusammenhängende Worte zu wechseln! Ein kleiner hat »Ngora! Ngora! Ngora!« gerufen, ein Wort, worunter die Eingebornen doch »Mutter« verstehen.«
Llanga hatte aufmerksam zugehört, als sein Freund Max das Vorstehende verlas; jetzt rief er plötzlich mit lauter Stimme:
»Jawohl… jawohl! Ngora, ngora… Mutter… ngora… ngora!«
Als er dieses von dem Doctor Johausen gebrauchte und von dem Knaben wiederholte Wort vernahm, mußte sich John Cort doch unwillkürlich erinnern, daß dasselbe Wort ihm vorige Nacht ebenfalls zu Ohren gekommen war. Da er das aber für eine Gehörtäuschung, für einen Irrthum hielt, hatte er den anderen überhaupt nichts davon gesagt. Nach der eben gehörten Beobachtung des Doctors glaubte er sie aber doch über diesen Vorfall unterrichten zu müssen. Da rief eben Max Huber:
»Wahrlich, sollte der Professor Garner doch recht haben? Es gäbe sprechende Affen?…
– Ich kann Dir, lieber Max, nur sagen, daß auch ich das Wort »Ngora« schon einmal zu hören bekommen habe!« erklärte John Cort.
Er erzählte nun, unter welchen Umständen dieses Wort in der Nacht vom 14. zum 15., als er die Wache gehabt habe, mit einer kläglichen Stimme ausgesprochen worden sei.
»Seh’ einer, rief Max Huber, das wäre ja fast etwas außerordentliches!
– Hast Du denn nicht nach solchem verlangt, bester Freund?« erwiderte John Cort.
Khamis hatte die Vorlesung ebenfalls mit angehört. Was aber den Franzosen und den Amerikaner im höchsten Grade interessierte, das ließ ihn einfach kalt. Was kümmerte er sich um Geschichten, die allein den Doctor Johausen etwas angingen! Ihm war es die Hauptsache, daß der Doctor ein Floß gebaut hatte, das er sich zu nutze machen konnte, und höchstens achtete er noch auf die Geräthe, die sich in dem
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