Das Dorf in den Lüften
verlassenen Käfig vorfanden. Der Foreloper begriff gar nicht, daß man danach fragen könne, was aus dem Arzte und seinem Diener geworden sei, noch weniger, daß es jemand in den Sinn kommen könne, sich zur Verfolgung seiner Spur in den großen Wald hineinzuwagen, auf die Gefahr hin, so wie jene beiden verschleppt zu werden. Wenn Max Huber und John Cort dann wirklich vorschlügen, nach den beiden Verschwundenen zu suchen, wollte er alles daransetzen, ihnen das auszureden und sie zu erinnern, daß ihnen nichts anderes obliege, als den Rückweg, und zwar auf dem Wasserlaufe bis zum Ubanghi hinunter, ohne Zögern fortzusetzen.
Vernünftigerweise war ja wohl auch anzunehmen, daß keine Nachsuchung von Erfolg gekrönt sein werde. Man wußte ja nicht einmal, in welcher Richtung man den deutschen Arzt suchen sollte. Wenn noch irgend eine Andeutung dafür vorhanden gewesen wäre, würde es John Cort für eine Menschenpflicht gehalten haben, einem jedenfalls Unglücklichen Hilfe zu bringen, und auch Max Huber hätte sich vielleicht für das von der Vorsehung erwählte Werkzeug gehalten, das den Verschwundenen retten solle. Doch nichts… nichts als die abgerissenen Sätze des Notizbuches, das den letzten Eintrag vom 25. August enthielt, sonst nichts als weiße Blätter, die sorgsam bis zum letzten besichtigt wurden.
Ueber den Befund bemerkte John Cort:
»Ganz zweifellos ist der Doctor an einem neunten August an diese Stelle gekommen und seine Aufzeichnungen hören mit dem fünfundzwanzigsten desselben Monats auf. Hat er seit diesem Tage nichts mehr niedergeschrieben, so liegt das offenbar daran, daß er seine, von ihm nur sechzehn Tage bewohnte Hütte aus dem einen oder anderen Grunde verlassen hat.
– Jawohl, setzte Khamis hinzu, und es ist gar nicht zu ahnen, was aus ihm geworden sein mag.
– Das thut nichts, fiel der Max Huber ein. Ich bin zwar nicht neugierig…
– Oho, werther Freund, das bist Du in hohem Grade.
– Na, meinetwegen, John, um aber hinter dieses Räthsel zu kommen…
– Wollen wir sofort weiterziehen,« begnügte sich der Foreloper zu sagen.
Thatsächlich war es ja auch gerathen, damit nicht zu zögern, vielmehr mußte das Floß flott gemacht werden, um die Gesellschaft den Fluß hinunter zu tragen. Erschien es später angezeigt, eine Nachforschung nach dem Doctor Johausen zu unternehmen, so konnte das jedenfalls unter günstigeren Verhältnissen geschehen, und beiden Freunden stand es dann frei, daran theilzunehmen oder nicht.
Noch bevor alle den Käfig verließen, sah sich Khamis aufmerksam überall darin um, ob sich nicht irgend ein für sie brauchbarer Gegenstand vorfände, den man, ohne sich darüber Gedanken zu machen, mitnehmen könnte, denn es war ja kaum anzunehmen, daß der Eigenthümer noch nach zweijähriger Abwesenheit zurückkehren könnte, um hier zurückgelassene Dinge zu holen.
Alle arbeiteten emsig an der Ausbesserung des Flosses. (S. 109.)
Die recht dauerhaft construierte Hütte bot übrigens auch noch heute ein vortreffliches Obdach. Das mit einer Strohlage bedeckte Zinkdach hatte den Unbilden der schlechten Jahreszeit sehr gut widerstanden. Die vergitterte Vorderseite war nach Osten gerichtet und deshalb den stürmischeren Winden weniger ausgesetzt. Wahrscheinlich hätte sich auch die gesammte Ausstattung an Lagerstätten, Tischen, Stühlen und Kisten und Kasten unversehrt erhalten, wenn sie nicht – und das erschien unerklärlich – von hier fortgeschafft worden wäre.
Nach Verlauf dieser zwei Jahre hätten aber doch einige Ausbesserungen vorgenommen werden müssen. Die Planken der Seitenwände klafften da und dort von einander und der untere Theil der Pfähle saß nur noch locker in dem feuchten Erdreich, auch bemerkte man schon Anzeichen von Verfall unter dem Geflecht der Lianen und des aufgerankten Grüns.
Khamis und seine Gefährten hatten natürlich keine Veranlassung, hier eine bessernde Hand anzulegen, es war ja auch gar nicht anzunehmen, daß später einmal noch ein weiterer Liebhaber der Simiologie sie als willkommenes Obdach benutzen würde. Die Käfighütte wurde also in ihrem dermaligen Zustande belassen.
Sollte sie aber nicht noch weitere Gegenstände bergen, als den Kochtopf, die Tasse, das Brillenfutteral und den von den beiden Freunden gefundenen Metallkasten mit dem Notizbuche? Khamis suchte sorgsam nach… nichts fand sich mehr, keine Waffen, Geräthe, Kasten, keine Conserven oder Kleidungsstücke. Der Foreloper wollte schon mit leeren
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