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Das Dorf in der Marsch

Das Dorf in der Marsch

Titel: Das Dorf in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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versuchen wir herauszufinden. War Ihr Vater mit Reimers befreundet?«
    Sie spitzte die Lippen. »Das kann man nicht sagen.«
    Â»Gab es Streit zwischen den beiden? Rivalitäten?«
    Â»Auch nicht. Ganz neutral. Wie das ist in einem kleinen Dorf. Reimers ist der Stellvertreter meines Vaters.«
    Â»Hatten die beiden unterschiedliche politische Auffassungen?«
    Sie sah Christoph an. »Dafür habe ich mich nicht interessiert. Politik ist nicht mein Ding. Und zu Hause haben wir auch nicht darüber gesprochen. Gut. Manchmal war mein Vater sauer. ›Die spinnen alle‹, hat er geschimpft. ›Warum machst du den Job?‹, wollte meine Mutter einmal wissen. ›Irgendeiner muss das doch machen. Wollen wir das den Hergelaufenen überlassen?‹«
    Â»Hat Ihr Vater das so gesagt?«, unterbrach Christoph die junge Frau.
    Â»Das war nicht so gemeint«, versuchte sie, ihre Aussage abzuschwächen. »Aber die ziehen nicht alle am gleichen Strang. Jeder will etwas anderes.«
    Â»Und darum gab es Streit?«
    Â»Unterschiedliche Meinungen. Aber Streit … So würde ich es nicht nennen.«
    Â»Wir haben gehört, dass Ihr Vater eine Auseinandersetzung mit Roger Gaultier hatte.« Christoph ließ das Motiv des Streits unausgesprochen. Er wollte mit Lena nicht über die angebliche Beziehung ihrer Mutter zu dem Kunstmaler sprechen.
    Â»Das war ganz gut, dass mal irgendjemand dem Spinner welche aufs Maul gegeben hat. Der tickt doch nicht sauber.«
    Â»Ist Gaultier Ihnen auch unangenehm aufgefallen?«
    Â»Mir? Der alte Sack? Nein. Dem hätte ich schon was erzählt. Der Lustgreis soll in seiner Höhle bleiben. Den nimmt doch keiner für voll.«
    Die Mutter hatte etwas anderes berichtet. Das mochte aber am Generationenunterschied liegen, dachte Christoph. Bei einem Altersunterschied von über fünfzig Jahren, die Gaultier von der jungen Frau trennten, wirkte auch der breiteste Charme nicht mehr. Prompt bestätigte Lena Witte Christophs Gedanken.
    Â»Der ist doch voll peinlich. So was Krasses.« Dann erinnerte sie sich an den Grund des Besuchs der beiden Beamten. »Soll ich mal nachsehen, bei welchem Kunden mein Vater ist?«
    Â»Haben Sie Zugriff auf diese Information?«, fragte Christoph.
    Sie nickte. »Mit dem Computer steht er auf dem Kriegsfuß. Da geht er nur ungern ran. Seine Kundentermine trägt er immer auf einem großen Wandkalender ein. Er oder Mama, wenn die die Anrufe entgegennimmt. Ich sehe mal nach.«
    Â»Dürfen wir mitkommen?«, fragte Christoph.
    Lena Witte hatte sich schon umgedreht. Mit der Hand gab sie das Zeichen, zu folgen, und ging voraus zu einem kleinen engen Büro. Der Schreibtisch war gegen die Wand gestellt und mit Papieren übersät. An der Wand stand ein Aktenregal, das mit Ordnern gefüllt war, deren Rücken mit der Hand beschriftet waren. Lena Witte schob ein paar Papiere zur Seite, bis sie einen Bogen herausfischte und dabei »Hier ist er« murmelte. Ihr Finger huschte über die Spalten und blieb beim Tagesdatum hängen. Dann sah sie auf die Uhr.
    Â»Um vierzehn Uhr ist dort was eingetragen. Lornsen in der Karkenstraat in Tetenbüll.«
    Â»Haben Sie die Telefonnummer?«
    Â»Moment«, sagte sie, suchte in einer altertümlichen Kartei aus Pappkarten und nannte die Ziffernfolge.
    Â»Wo war Ihr Vater heute Morgen?«
    Â»Tetenbüll ist der erste Termin für heute.«
    Â»Und gestern?«
    Â»Am Vormittag war er am Möhlendieck in Grünhörn und dann bei Michelsen am Porrendeich.«
    Die Beamten ließen sich auch von diesen Kunden die Telefonnummern geben.
    Â»Am Nachmittag steht hier ›Kiel‹«, schloss Lena Witte die Nachforschungen ab. »Wollen Sie mir nicht endlich sagen, was los ist?« Deutlich schwang Sorge in ihrer Stimme mit.
    Christoph hätte ihr die Frage gern beantwortet. Aber er wusste die Antwort selbst nicht.
    Vom Auto aus wählten sie die Tetenbüller Nummer an.
    Â»Witte? Wo bleibt der?«, schimpfte eine ältere Frauenstimme. »Wir warten auf ihn. Der ist sonst immer zuverlässig. Der hat uns noch nie versetzt. Und wenn er sich mal verspätet hat, rief er an. Wir sind Rentner. Da können wir es einrichten. Nur Bescheid sagen sollte er. Sagen Sie ihm das. Wer sind Sie überhaupt?«
    Christoph tat ihr nicht den Gefallen, seine Identität zu offenbaren.
    Der Kunde vom Möhlendieck in

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