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Das Dorf in der Marsch

Das Dorf in der Marsch

Titel: Das Dorf in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Grünhörn bestätigte, dass Witte am Vortag bei ihm gewesen war und einen Kurzschluss im Stall repariert hatte. »Er ist gegen zehn wieder weg«, berichtete er.
    Den nächsten Termin am Porrendeich hatte Witte nicht mehr wahrgenommen. Das war vor vierundzwanzig Stunden gewesen. Und in Kiel war er auch nicht angekommen.
    Wo war der Elektriker geblieben? Und wie war sein Firmenwagen wieder zurückgekommen? Falls er selbst das Fahrzeug nach Everschopkoog gebracht hatte, war zu klären, ob er von jemandem gesehen wurde.
    Â»Wir müssen noch einmal alle Nachbarn befragen, ob sie Witte gestern gesehen haben. Sein Auto ist nicht von allein nach Hause gekommen.«
    Â»Sicher nicht«, pflichtete Große Jäger bei. »Aber wo ist er, wenn er nicht in Reimers Fermenter gelandet ist?« Der Oberkommissar rollte mit den Augen. »Nun ist Mittag.«
    Er sprach mit einer solchen Bestimmtheit, dass Christoph nicht widersprechen konnte.
    Sie fuhren zum nahen Everschopsiel. Direkt an der Landesstraße lag das unscheinbare Gebäude des Siels. Das Werbeplakat für das sehenswerte Multimar-Wattforum in Tönning an der Hauswand wirkte wie ein bunter Farbtupfer. Zur Koogseite hin breitete sich das Speicherbecken aus, in dem die Marschentwässerung zunächst gespeichert und bei Ebbe durch das Siel in die See hinausgepumpt wurde. Westlich davon lag die »Spieskommer«, ein vorwiegend von Durchreisenden, aber auch von Einheimischen gern angenommenes Restaurant aus Holz mit dem charakteristischen Wintergarten davor. Heute standen nur wenige Fahrzeuge auf dem Sandparkplatz. Die Saison war um diese Jahreszeit vorbei.
    Christoph stellte den Volvo ab und betrat die einem Bistro ähnelnde Gaststätte, während Große Jäger noch vor der Tür stehen blieb, um seiner Nikotinsucht zu frönen.
    Â»Hast du schon gewählt?«, fragte der Oberkommissar, als er wenig später folgte und Christoph in die Speisekarte vertieft sah.
    Es überwogen bodenständige Gerichte. Christoph entschied sich für ein Krabbenrührei mit Bratkartoffeln, während Große Jäger sich für eine »Riesencurrywurst« mit Pommes »und allem, was man dazu nehmen kann« entschied.
    Â»Früher stand hier ein Imbisswagen«, erklärte Große Jäger. »Wer öfter kommt, schätzt die Küche, auch wenn die Preisgestaltung sehr mutig ist. Das harmoniert mit der Zugänglichkeit der Bedienung, die zwischen freundlich und zuvorkommend bis kühl-reserviert alle Varianten aufzuweisen versteht – vermutlich abhängig von der Tagesform.«
    Sie ließen noch einmal die Geschehnisse des Vormittags Revue passieren, diskutierten das Gesehene und Gehörte, ohne zu einem anderen Ergebnis als »mysteriös« zu kommen.

ACHT
    Nach dem Essen und einem Cappuccino – der Oberkommissar hatte Kaffee gewählt – gingen sie den schmalen Teerweg, der über den Deich zum kleinen und beschaulichen Hafen Tetenbüllspieker führte, hinauf. Er war von der Landesstraße nicht zu sehen, und die meisten fuhren an ihm vorbei, ohne seine Existenz wahrzunehmen. Zu dieser Jahreszeit waren die wenigen Liegeplätze, die sich alle nur auf der linken Seite befanden, verwaist. Nicht ein Boot dümpelte im Wasser. Ein Teerdeich begrenzte die vom Regen durchweichte »Hafenfläche«, die nur aus Matsch zu bestehen schien.
    Große Jäger murrte, als Christoph die wenigen Schritte bis zu den Betonbecken ging, in denen tosend das Wasser sprudelte, das aus dem Speicherbecken abgelassen wurde und in die See floss. Ein handschriftlich mit roter Farbe bepinseltes Holzschild mahnte: »Achtung bei Spülbetrieb! Badeverbot«.
    Es war ein Idyll. Hier war die Welt noch friedlich. Eine weite Landschaft, klare und saubere Luft, ein Licht, das die Maler inspirierte, und Stille, die man in dieser Vollkommenheit selten wahrnehmen konnte. Es sei denn, der Wind rüttelte an Fenster und Dachpfannen, oder der Regen trommelte gegen die Fenster. Und doch hatte die Aufklärung eines Verbrechens sie an diesen Ort geführt.
    Christoph stützte sich auf dem Geländer ab und starrte in das gurgelnde Wasser unter ihm, bis er inmitten der reinen Seeluft Tabakqualm wahrnahm.
    Sind der Oberkommissar und das beschauliche Eiderstedt kompatibel?, fragte er sich im Stillen. Ja!, gab er sich selbst die Antwort. Ohne Große Jäger würde in Nordfriesland etwas fehlen.
    Â»Wie

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