Das Dorf in der Marsch
haben, und jene, die mit ihrer Erfahrung frischen Wind hinter den Deich bringen könnten.«
»Leute wie Sie«, stellte GroÃe Jäger fest. »Oder der Kunstmaler Gaultier.«
»Der ist doch durchgeknallt. Nein, ich meine Wychzek. Oder Nielsen, den General. Aber Witte und Reimers ⦠Die können Sie vergessen. Dabei muss das nicht sein. Ein Bekannter von uns hat drüben in Marschenbüll einen groÃen Hof, den er nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen bewirtschaftet. Er ist erfolgreich. Bitte, es geht doch.«
»Sie meinen Hermann von Dirschau?«, riet Christoph.
»Kennen Sie ihn? Ein toller Mann. Jemand von Format. Leider hat er vor neun Jahren seinen Sohn verloren. Ein Sexualverbrecher, den die Polizei nicht bändigen konnte, hat ihn kaltblütig ermordet. Das haben Ihre Kollegen nicht verhindern können.«
Christoph unterlieà es, Matuschka über die wahren Hintergründe aufzuklären. Er sah Else Matuschka an.
»Es kursieren Gerüchte, dass es wohl jemanden in Everschopkoog gibt, der sich an andere Mitbürger heranmacht und sie sexuell belästigt.«
»Davon habe ich gehöâ«, begann Frau Matuschka, aber ihr Mann unterbrach sie.
»Wer solche Dinge in Umlauf bringt, ist nicht ausgelastet. Dorftratsch.«
»Ach«, tat GroÃe Jäger erstaunt. »Mein Kollege spricht Ihre Frau an, und Sie geben die Antwort. Sind Sie ein Betroffener?«
»Sie meinen, ich belästige andere Frauen?« Matuschka war aufgebracht.
»Oder Sie sind Opfer«, erwiderte der Oberkommissar.
Matuschka sah ihn eine Weile an.
»Sie wollen damit sagen, dass die Bauersfrauen mir nachstellen?«
GroÃe Jäger schüttelte den Kopf. »Nicht die Frauen.«
Es dauerte eine Weile, bis der Mann verstanden hatte.
»Sie meinen, so ein Perverser, der es mit Männern treibt? Mich soll er ausgeguckt haben?«
»Es gibt sicher Menschen, auf die das Attribut âºperversâ¹ zutrifft«, sagte GroÃe Jäger. »Das ist aber keineswegs an die sexuelle Orientierung gebunden. Glauben Sie, dass Männer, die sich an Frauen oder kleinen Mädchen vergreifen, besser sind?«
»So habe ich das nicht gemeint, aber das ist doch nicht abnorm, das ist doch â¦Â« Er geriet ins Stammeln.
»Normaler als Männer oder Frauen, die sich zur gleichgeschlechtlichen Liebe bekennen?«, bohrte GroÃe Jäger nach.
»Das ist ⦠Ich habe das so nicht â¦Â« Matuschka suchte nach Worten. »Sind Sie deshalb hier, um Gesinnungsforschung zu betreiben?«
»Nein«, sagte GroÃe Jäger. »So kompliziert denken Husumer Polizeibeamte nicht. Wir sind eher von schlichtem Gemüt. Wir suchen nur nach der Wahrheit.«
»Warum stellen Sie nicht die Fragen, die Sie weiterführen?«
»Das haben wir. Und wir haben Antworten erhalten.«
Matuschka sah irritiert von einem zum anderen.
»Davon habe ich nichts gemerkt.«
»Das zeichnet einen guten Polizisten aus«, schloss GroÃe Jäger das Gespräch und stand auf.
Frau Matuschka begleitete sie zur Haustür.
»Mein Mann ist nicht so«, wisperte sie zum Abschied. »Er ist enttäuscht, dass die Leute hier eine eigene Meinung haben und sich nicht seine zu eigen machen. Sie hören ihn in der Einwohnerversammlung an, aber das warâs dann auch. Die Nachbarn sind in Ordnung. Mariechen, also die Mutter von Reimers, ist eine ganz nette. Ich komme prima mit ihr zurecht. Das stört Heinrich, wenn er sieht, dass ich Anschluss finde, er aber nicht.«
»Hat Roger Gaultier auch versucht, nachbarschaftliche Kontakte zu Ihnen zu knüpfen?«, fragte Christoph.
»Sie meinen, ob er mit mir geflirtet hat?« Für einen Moment wirkte sie verlegen. Ein leichter Rotschimmer huschte über ihre Wangen.
»Nicht nur geflirtet, sondern ob er Ihnen auch Avancen gemacht hat?«
Sie senkte die Stimme noch weiter und war kaum noch zu verstehen.
»Wir sind schon lange verheiratet. Da verblasst manches in der Ehe. Heinrichs Interessen sind vielschichtiger geworden als in den ersten Jahren. Und, glauben Sie mir, ich bin immer noch im Diesseits. Warum sollen dort nicht auch einmal Wolken schweben?«
»Gab es deshalb Streit zwischen Gaultier und Witte, weil der Maler sich auch an die Frau des Elektrikers herangemacht hat?«
»Ein bisschen komisch war das schon. Vielleicht ist Gaultier zu sehr von sich überzeugt und
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