Das Dorf in der Marsch
bessere Ãbersicht über die Tiergesundheit und den Gesamtstand der Herde. Erinnern Sie sich an die gelben und roten Markierungen auf dem Bildschirm? Das sind Warnhinweise zu einzelnen Tieren. Zum Beispiel, dass es mit dem Melken überfällig ist. Daneben bietet das System noch viele andere Vorteile. Doch das zu erläutern würde an dieser Stelle zu weit führen.«
»Landwirtschaft ist ja richtig bequem und einfach geworden«, stellte GroÃe Jäger fest.
Reimers lachte bitter auf. »So stellt es sich der Laie vor. Das sind gewaltige Investitionen, die dort getätigt werden müssen. Nicht nur der Melkroboter, auch die Biogasanlage, Fotovoltaik und andere Systeme auf dem Hof. In der modernen Landwirtschaft können Sie nicht kurzfristig denken und den Markt ausbeuten, wie es die Banken tun. Da gilt es, langfristig und nachhaltig zu wirtschaften.«
»Und dazu gehört auch das Themenfeld âºEnergieerzeugungâ¹?«
Reimers nickte, während sie langsam wieder Richtung Wohnhaus gingen. »Sie müssen diversifizieren. Es ist ein Drahtseilakt. Auf der anderen Seite funktioniert es nicht mehr, wenn Sie sich als Bauer alter Prägung versuchen, der bis hin zu freilaufenden Hühnern alles macht. So haben sich Kollegen auf die Viehwirtschaft ausgerichtet â so wie ich â, oder sie betreiben Ackerbau. Das ist bei unseren Böden hier auf Eiderstedt aber eher die Ausnahme. Das Thema âºEnergieâ¹ ist natürlich relativ neu und eine Herausforderung.«
»Bei den Investitionen, die erforderlich sind, verstehe ich, dass eine bestimmte BetriebsgröÃe notwendig ist«, sagte Christoph.
»So ist es«, stimmte Reimers zu. »Nur dann erreichen Sie ein Volumen, bei dem sich die hohen Investitionen lohnen. Es gibt diesen uralten Witz, dass ein Vertreter einem Bauern eine Melkmaschine aufschwatzt und als Anzahlung die einzige Kuh mitnimmt. Die Zeiten sind vorbei.«
»Wie ist Ihr Verhältnis zu Sönke Michelsen?«, fragte Christoph.
»Der vom Porrendeich? Der asoziale Berufsstänkerer? Lassen Sie mich bloà mit dem an Land.« Deutlich war Reimersâ Erregung zu spüren. »Haben Sie eine Vorstellung davon, wie schwierig es war, eine Vogelschutzgebietsausweisung auf Eiderstedt zu verhindern? Seit Jahrzehnten sorgen wir Landwirte freiwillig für optimale Lebensbedingungen besonders schützenswert eingestufter Vogelarten. âºVertragsnaturschutzâ¹ ist das Stichwort. Das ist ausreichend. Solche Leute wie Michelsen wollen allerdings, dass Eiderstedt als Natura-2000-Gebiet ausgewiesen wird. Das bedeutet, Sie dürfen in diesem Gebiet fast nichts mehr machen. Die Brüsseler Bürokraten fordern ein Einfrieren auf den Status der Steinzeit.«
»Ganz so ist das nicht«, widersprach Christoph.
»So? Von den Sesselfurzern hat doch noch nie jemand auf einem Acker oder in einem Stall gestanden. Die wissen doch gar nicht, worüber sie reden. Das gilt übrigens auch für Michelsen.«
»Und Witte? Wie stand der dazu?«
Reimers stieà heftig die Luft aus. »Das würde mich auch interessieren. Witte ist kein wirksamer Fürsprecher unserer Interessen. Everschopkoog ist ein Dorf ! Und wo sonst, wenn nicht hier, sollen wir Landwirte tätig werden?« Er riss beide Arme in die Höhe und zeigte zum Himmel. »Das steht doch irgendwo in der Bibel. Die Vögel des Himmels säen nicht und ernten doch. Erzählen Sie das den Menschen in Bangladesch oder in der Sahelzone. Sollen Michelsen und Witte doch mit Pfeil und Bogen Jagd auf die Vögel machen und sich davon ernähren, wenn sie die Landwirtschaft totmachen.«
Sie hatten das Wohnhaus erreicht, und Reimers trat ein. »Ich brauche jetzt einen Schluck Kaffee«, sagte er. »Sie auch?«
»Danke«, wehrte Christoph ab und erntete dafür einen bösen Blick des Oberkommissars.
Sie wurden von Mariechen Reimers empfangen, die ihnen neugierig entgegensah. Sie füllte aus einer Thermoskanne einen Becher voll, nachdem ihr Sohn seinen Wunsch geäuÃert hatte. Dann setzte sie sich zu ihm an den Küchentisch.
»Sind Sie schon fündig geworden?«, fragte Reimers zwischen zwei Schlucken.
»Die Kollegen sind am Ball«, antwortete Christoph ausweichend.
Reimers hatte den Becher mit beiden Händen umklammert und hielt ihn in Mundhöhe. Ãber den Rand sah er Christoph an.
»Ganz schönes Tohuwabohu, das Sie
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