Das Dorf in der Marsch
Hofplatz von Bauer Reimers fanden sie nur mit Mühe einen Parkplatz. Es wimmelte von Uniformierten und Männern in Arbeitskleidung. Fahrzeuge standen herum, Rohrleitungen waren verlegt, und das brackige Wasser stand knöchelhoch. Es roch erbärmlich nach Gülle. Inmitten des Chaos fanden sie Klaus Jürgensen.
»Na, Klaus. Stinkt dir deine Arbeit manchmal?«, fragte GroÃe Jäger.
Der Hauptkommissar warf ihm einen Blick zu, der zarter besaitete Mitmenschen ins Jenseits befördert hätte.
»Ich kann nur für euch hoffen, dass wir fündig werden. Nach der Pleite beim Abtragen der Halle in Neumünster, als die Kieler Kollegen einem offensichtlichen Lügner aufgesessen sind, darf es keine zweite Pleite geben. Nicht nur die Kosten, die hier verursacht werden, auch das Image, das verloren ginge. Das Ganze würde doch von den Medien ausgeschlachtet werden. Das ist aber noch gar nichts gegen das, was ihr von mir zu erwarten hättet.«
GroÃe Jäger nahm eine Boxerpose ein und stieà ein paarmal wie ein Schattenboxer seine Rechte vor. »Soll ich schon einmal trainieren?«
»So warm kannst du dich gar nicht boxen, wie es nötig wäre.« Jürgensen holte tief Luft, räusperte sich mehrfach und nieste.
GroÃe Jäger klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. »Solange du noch solche Geräusche absonderst, Klaus, geht es dir gut. Seid ihr schon fündig geworden?«
Jürgensen schüttelte den Kopf. Dann streckte er seinen Arm aus und zeigte auf verschiedene Plätze, an denen Polizisten im Dreck wühlten.
»Da. Da. Und dort. Wir haben nach Absprache mit dem Unternehmen, das den Fermenter leer pumpt, verschiedene Stationen eingerichtet. Wir gehen dabei wie folgt vor.« Detailliert beschrieb der Hauptkommissar, wie er sich das Sichten des Inhalts vorstellte. »Der Bauer zeigt sich skeptisch. Wenn es nach ihm ginge, würde die ganze Aktion nicht stattfinden. Glücklich fühle ich mich auch nicht. Das ist eine unvorstellbare Menge, die wir aus dem Behälter herausholen. Wir wissen nicht, wonach wir suchen. Klar, nach Hinweisen, die auf einen Menschen schlieÃen lassen. Aber wie groà sind die einzelnen Partikel? Ich habe mir die Messer des rotierenden Schneidwerks angesehen. Mannomann. Da bleibt nicht viel übrig.« Er sah den Oberkommissar an. »Nicht jeder ist so zäh wie du. Und selbst von dir würde nicht viel übrig bleiben.« Dann grinste Jürgensen breit und kratzte sich demonstrativ den kahlen Schädel. »Das wäre vielleicht eine Lösung, um die Menschheit von dir zu befreien«, sagte er.
»So etwas wie dich hängen wir bei Nordwest auÃendeichs«, erwiderte GroÃe Jäger.
»Bist du zuversichtlich, dass ihr etwas entdeckt?«, unterbrach Christoph das Geplänkel.
»Wenn du garantierst, dass sich dort«, dabei wies Jürgensen auf den Fermenter, »etwas befindet.«
Das konnte Christoph nicht. Er wusste, dass es ein gewagtes Unterfangen war. Wenn der ganze Aufwand, den sie hier betrieben, vergeblich war, würde man ihn zur Rechenschaft ziehen. Andererseits durften sie nichts unversucht lassen. Es gab sicher Argumente, die für Christoph sprachen, wenn Witte doch irgendwann wieder auftauchte. Immerhin war es wahrscheinlich, dass dem Bürgermeister der rechte Ringfinger fehlte.
Neunmalkluge Leute würden kritisch hinterfragen, ob man nicht zunächst in eine andere Richtung hätte ermitteln sollen. Das Land war klamm. Ãberall musste gespart werden. Das galt auch für die Polizei. Welche Entscheidung Christoph auch traf, man würde es ihm bei Erfolglosigkeit anlasten. Da half es auch nicht, dass rein formell die Staatsanwaltschaft den richterlichen Beschluss beantragt hatte.
Er atmete tief durch, bereute es aber sogleich, als ihm der Gestank bis in die letzten Verästelungen der Lunge drang. Im schlimmsten Fall würde er wieder einen Schreibtischjob beim Landeskriminalamt in Kiel antreten. Und täglich pendeln? Das war in mehrfacher Hinsicht nicht erstrebenswert. Doch all die Ãberlegungen standen hinter dem Wunsch zurück, eine offensichtliche Straftat aufklären zu wollen.
»Die Hundeführer waren auch schon da«, berichtete Jürgensen. »Wir hatten einen Leichenspürhund und zwei Mantrailer . Dazu haben wir uns von der Familie Witte einen Schlafanzug geholt. Da hinein werden nachts besonders viele Hautschuppen, aber auch
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