Das Dorf in der Marsch
Polizei gerufen und Anzeige erstattet?«
»Ich?« Biesterfeldt lachte schrill auf. »Ich habe ihm eine Ladung Schrot in den Arsch geschossen.«
»Das ist Körperverletzung. Wo ist die Waffe?«
»Ich darf das«, behauptete Biesterfeldt. »Ich meine, eine Schrotflinte haben. Ich bin Jäger.« Er zeigte auf das Haus. »Das Gewehr ist ordnungsgemäà in einem Stahlschrank eingeschlossen. Bei mir herrscht Ordnung, Herr Kommissar.«
»Wann haben Sie Herrn Böhner zuletzt gesehen?«
»Das ist kein Herr . Der nicht. Der klaut, säuft, lebt von Hartz IV . Ein richtiger Sozialschmarotzer.«
»So wie Sönke Michelsen vom Porrendeich?«
»Hören Sie auf mit dem. Auch so einer. Der ist doch nicht ganz dicht mit seinen Phantasien. Der soll lieber was Gescheites arbeiten, als hier mit dieser ÃkoscheiÃe herumzutönen.«
»Und gegen Michelsen haben Sie sich mit Ihrem Bürgermeister verschworen?«
»Mit Witte? Der ist doch doof wie ein Zaunpfosten. Der Bürgermeister und Michelsen stecken unter einer Decke. Die wollen uns Landwirte plattmachen.« Biesterfeldt fuhr sich mit dem Handrücken am Hals entlang und deutete die Geste des Halsabschneidens an.
Christoph war irritiert. Alles deutete auf ein vergiftetes Verhältnis zwischen dem Naturschützer vom Porrendeich und Witte hin. Und plötzlich sollten die beiden gemeinsame Interessen haben? Das passte nicht zueinander.
»Wo wohnt Böhner?«
Biesterfeldt streckte die Hand aus. »ân Stück die StraÃe runter. Können Sie nicht verfehlen. Die Bruchhütte. Wird Zeit, dass die abgefackelt wird. Wäre nicht verkehrt. SchlieÃlich bezahlen wir jedes Jahr an die Freiwillige Feuerwehr in Tetenbüll, damit sie uns mitversorgt. Die haben aber noch nie einen Einsatz bei uns gehabt.«
Christoph kehrte zum Auto zurück. GroÃe Jäger hatte sich gegen den Volvo gelehnt und rauchte. Vor seinen FüÃen lagen bereits mehrere zertretene Kippen.
»Fertig?«
Christoph nickte.
»Gut. Dann gehe ich jetzt zu ihm.«
»Du bleibst hier.«
»Zehn Minuten.«
»Nix da.«
»Fünf.« GroÃe Jäger sah Christoph mit einem Dackelblick an und klatschte mit den Händen. Kinder benutzen diese Geste, um »Bitte, bitte« zu sagen.
»Wir haben einen Namen. Das könnte vielleicht unser Toter sein.«
Sofort war GroÃe Jäger abgelenkt und forderte Christoph auf, zu berichten.
»Gleich«, sagte Christoph und lieà sich in Flensburg mit Oberstaatsanwalt Dr. Breckwoldt verbinden.
»Sie wirbeln Eiderstedt derzeit aber mächtig durcheinander. Kein Wunder, dass die bei der Kreisreform gar nicht nach Nordfriesland, sondern nach Eiderstedt wollten«, sagte der Staatsanwalt und hörte sich Christophs Bitte an.
»Gut«, antwortete er und seufzte tief. »Sie bekommen einen Durchsuchungsbeschluss für das Haus von Heinrich Biesterfeldt. Wir konfiszieren seine Waffen und bringen sie zur KTU nach Kiel. Allmählich verstehe ich das Ansinnen mancher Berliner Politiker, die Bundeswehr auch innerhalb Deutschlands einzusetzen. Sie verbrauchen aktuell ja alle Ressourcen der Polizei für sich.«
»Oh, ja.« GroÃe Jäger schlug sich mit der Faust in die offene linke Handfläche. »Die Durchsuchung werde ich durchführen.«
»Das glaube ich nicht«, erwiderte Christoph.
»Despot«, zischte der Oberkommissar.
Böhners Haus hätte man auch ohne Beschreibung finden können, wenn man Biesterfeldts Erläuterungen zu dem Mann wörtlich nahm. Es lag unterhalb der StraÃe direkt in der Marsch.
»Dazu gehört Gottvertrauen, so zu bauen«, stellte GroÃe Jäger fest, als sie auf das Grundstück abbogen. »Das ist eine alte Landarbeiterkate. Da haben schon immer die armen Leute gewohnt. Andere schütten erst eine Art Warft auf, um nicht die ganze Feuchtigkeit ins Haus zu bekommen. In der Hütte muss es doch überall klamm sein.«
Das Dach war mit Moos besetzt, die Ziegel von der salzigen Luft zerfressen. Die Rahmen der Fenster mit Einfachverglasung hatten seit Jahrzehnten keine Farbe mehr gesehen. Wenn es einmal einen Garten rund ums Haus gegeben haben sollte, war der ebenfalls vor Generationen aufgegeben worden.
»Wir sprechen von der Energiewende, von Wärmedämmung und Stromsparen. Und in dieser Hütte pfeift der Wind durch alle Löcher. Ich möchte
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