Das Dorn-Projekt: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 3
zu Fanielle hinüber, ohne sich in ihre Richtung drehen zu müssen. Nach einer Weile ließ der Reiz der Neuheit, den ihre schweigende Anwesenheit hervorzubringen vermocht hatte, nach, und alle widmeten sich wieder ihren eigenen Gesprächen und Gesprächsthemen. Die Luft um Fanielle herum war angefüllt mit einer letztlich harmonisch wirkenden Kakophonie aus Klicklauten, Pfiffen und Worten.
Sie schlürfte einen Saft aus verschiedenen einheimischen Früchten, der mehr als nur geeignet war für ihr Verdauungssystem, als Haflunormet das Lokal betrat. Ein im Vorfeld vereinbarter Blick, eine zwischen ihnen abgesprochene Handbewegung sagte Fanielle alles, was sie für den Augenblick wissen musste: »Er ist hier.« Sie war eine der wenigen Menschen auf Hivehom, die Zugang zu örtlichen Methoden des Zahlungsverkehrs hatten; also zahlte sie für ihren halb ausgetrunkenen Drink und folgte dem Diplomaten hinaus in den geschäftigen Stollen.
Ein Dach in etwa zehn Metern Höhe über den Straßen von New-New York, und man hätte einen guten Vergleich zu den Hauptwaben Darets gehabt. Nun, ein Platz für Klaustrophobiker war es nicht gerade, auch nicht für solche, die sich im Gedränge nicht wohl fühlen.
Von dieser Wabe aus fuhren Fanielle und Haflunormet mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu einer der äußeren Vorstädte hinaus. Erneut war Fanielle dankbar für ihre geringe Körpergröße. Diese erlaubte ihr, am Transportwesen der Thranx partizipieren zu können, ohne sich unbequem verrenken oder ducken zu müssen. Zwanzig Minuten später verließen die beiden ungleichen Kollegen die Transportkapsel und nahmen einen Lift zur Oberfläche, wo ein Privatfahrzeug auf Haflunormet wartete. Der kleine Gleiter folgte einem vorprogrammierten Kurs: Er gewann an Höhe und steuerte ein in westlicher Richtung liegendes Ziel an, flog über unberührte Savanne und Dschungel-Niederungen. Einige Stunden später reduzierte das kleine Fluggerät seine Geschwindigkeit, als es sich einer Lichtung am Fuße einer weitläufigen, mit frischem Grün bedeckten Hügelkette näherte. Nicht weit von dem leicht auszumachenden Flugfeld entfernt, wand sich eine Prozession riesiger Schwertransporter an Dreifach-Ladern vorbei und am Fuße der nahen Hügelkette entlang, beladen mit gerade erst gewonnenem Erz.
»Sat!wi!t, seltene Metalle.« Haflunormet übernahm die manuelle Steuerung des Gleiters und lenkte ihn auf einen überdachten Abstellplatz. »Der Besitzer der Mine sympathisiert mit uns.« Viellinsige Augen blickten zu ihr hinüber. »Einen Ort, an dem ein Gespräch schwieriger zu belauschen ist als an diesem, konnte ich nicht finden. Nach der unerfreulichen Begegnung in Ihrem Hotelzimmer habe ich nach einem Ort gesucht, wo Sie sich sicher fühlen und wir offen reden können.«
Sie gab durch Gesten zu verstehen, dass sie verstanden hatte und ihm für seine Bemühungen dankte - ihre beiden Hände hatten dabei die Arbeit von vieren zu verrichten. Dass ihr Treffen in einer Mine stattfinden sollte, bereitete ihr keine Sorgen. Deren Stollen konnten nicht mehr klaustrophobische Gefühle hervorrufen als die Nebenstraßen von Daret.
Nachdem Haflunormet den Gleiter gegen fremden Zugriff gesichert hatte, ging er voran, um Fanielle den Weg zu zeigen, vorbei an geschäftigen Arbeitern und Verwaltungsangestellten. Hier zog ein Mensch noch mehr neugierige Blicke auf sich als in der kosmopolitischen Hauptstadt. Es waren nicht immer wohlwollende Blicke. Vielleicht, so sagte sich Fanielle, während sie einige der weniger freundlichen Gesten einfach ignorierte, war sie der erste Mensch überhaupt, der diesen Ort aufsuchte, der erste, den viele von den Minenarbeitern überhaupt zu Gesicht bekamen.
Im Eingangsbereich der Mine nahm Haflunormet Verbindung mit dem Sicherheitsdienst auf. Worte wurden via Kommunikator gewechselt, in deren Folge die beiden Besucher die Erlaubnis erhielten, die Mine zu betreten. Hin und wieder blieb Haflunormet stehen und überprüfte auf seinem PD, seinem Personenbezogenen Datengerät, ob sie noch in die richtige Richtung unterwegs waren. Anders als in der Stadt verkehrten die Beförderungsmittel nicht in regelmäßigen Abständen. Zweimal mussten sie auf die Ankunft einer automatisierten Transportkapsel warten. Ein hoch gewachsener Mensch hätte leicht seinen Kopf verlieren können an einem Ort wie diesem - das jedenfalls waren die Gedanken, die Fanielle so durch den Kopf gingen, als Haflunormet und sie auf dem unterirdischen Schienenstrang
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