Das Dorn-Projekt: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 3
persönlich ihr Beileid ausdrückte, dabei aber nicht vergaß den alten Männlichen mit dem zerfurchten Gesicht sowohl durch Gesten als auch mit Worten daran zu erinnern, dass auch mehrere Angehörige ihrer eigenen Spezies bei diesem Zwischenfall ihr Leben verloren hatten. Dennoch werteten die AAnn dies keineswegs als Angriff auf ihr Volk; Schicksalsschläge wie dieser seien nun einmal unvermeidlich bei der Erkundung unbekannter Welten. Und daher dürften eben solche Unglücke die Beziehungen zwischen zwei Spezies nicht belasten, die beide als erfahrene Entdecker zu bedrohlichen und oft verwirrenden Firmamenten vorstießen und um die Gefahren und Risiken solcher Unternehmungen wüssten.
Die Generalkonsulin hatte das Gefühl, sie habe ihr Bestes bei der Wiedergabe dessen gegeben, was die Psychiziner für sie vorbereitet hatten. Jetzt stand sie schweigend da, nur ihr Schwanz bewegte sich wie ein Metronom von der einen zur anderen Seite, während sie auf die Antwort des runzligen Säugers wartete. Nach einer langen Pause kam sie endlich, diese Antwort, allerdings mit Worten, die dem diplomatischen Stil nicht sonderlich entsprechen wollten.
»Sie sind eine Lügnerin.«
Sie erbleichte, soweit AAnn dazu in der Lage waren. Zorn stieg in ihr hoch. »Ssie ssind beleidigend!«
»Die Wahrheit ist niemals beleidigend. Sie sind eine großschnauzige, Aas fressende, ohrlose, blutrünstige Lügnerin, die wahrscheinlich auch noch an derselben Stelle scheißt, wo sie isst! Und ich vermute mittlerweile, dass das auf Ihre gesamte Spezies zutrifft! Wie der Rest meines Volkes war ich geneigt, hier auf Comagrave im Zweifelsfall zu Gunsten Ihrer Spezies zu entscheiden, auch wenn Sie in Ihren Gesprächen mit uns stets darauf bestanden, diese Welt ›Vussussica‹ zu nennen. Ein mir erst kürzlich übermitteltes VIT hat mich meine Meinung ändern lassen. Es hat die Meinung vieler hier auf Comagrave geändert. Und ich rechne damit, dass es, sobald es weitere Verbreitung findet, noch viele Meinungen mehr ändern wird. Würden Sie es sich gerne anschauen?«
Vor Empörung beinahe wie gelähmt, konnte die Repräsentantin der AAnn die Frage kaum bejahen. »Sselbsstverständlich möchte ich mir anssehen, wass diessen beispiellosssen Aussbruch übler Nachrede Ihrersseitss verurssacht hat, ehrlich.«
Ohne sie einer Antwort zu würdigen, wedelte Narzaltan mit der Hand über einen Näherungssensor. Ein Hologramm erschien über dem schlichten, schmucklosen Schreibtisch des Gouverneurs. Vaarbayel erkannte es als einen Satelliten-Scan. Ohne dass der Mensch es eingegeben hätte, wurde das leicht flackernde, aber ansonsten scharfe Bild hinunter auf die Planetenoberfläche gezoomt, bis es auf einer starken Vergrößerung eingefroren wurde.
Vaarbayel hatte nur den hastig zusammengestellten offiziellen Bericht überflogen und sich das beigefügte Material angeschaut. So von oben betrachtet, erhielt das Gemetzel eine distanzierte und dennoch persönliche Note des Schreckens. Man konnte die beiden übrig gebliebenen AAnn-Transporter beobachten, wie sie das brennende Lager systematisch mit Geschützfeuer belegten und die AAnn an Bord der Transporter von deren Luftkampfplattformen aus ebenso systematisch die letzten überlebenden Menschen niederschossen. Danach durchkämmten Landetrupps das Lager, durchsuchten jedes einzelne noch stehende Gebäude - und vergewisserten sich, dass es keine Überlebenden gab. Es gab zu viele Details auf dem VIT, als dass es sich um eine Fälschung handeln konnte. Vaarbayel konnte das, was man ihr gerade vorgeführt hatte, nicht in Zweifel ziehen.
Die Bilder verschwanden, lösten sich auf wie ein schlechter Traum in einem Sandsturm. »Wass hätte ich anderss ssagen ssollen alss dasss, wass ich ssagte?«, zischelte die Generalkonsulin schließlich. »Ich war nicht dort. Ich kann nur wiedergeben, wass man mir berichtet hat, und meine Schlüssse auss dem Material ziehen, dasss man mir vorgelegt hat.«
Narzaltan nickte, eine schlichte und für Menschen typische Geste, die Vaarbayel sogleich wiedererkannte. »Dafür habe ich Verständnis. Und Sie werden jetzt vielleicht meine heftige Reaktion verstehen. Nicht, dass es mich wirklich interessieren würde, ob Sie das tun. Wir sind beide Befehlsempfänger und Diplomaten. Man erwartet von uns, Botschaften zu überbringen und weiterzuleiten, nicht selbstständig zu denken oder gar noch eigene Gefühle dabei zu entwickeln. Jetzt, in diesem Augenblick, fürchte ich, bin weder ich noch
Weitere Kostenlose Bücher