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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Zeitungsgesellschaft. Der ganze Haufen.«
    Odette schlug die Hände vor den Mund. »O nein! Wissen Sie, den hab ich an meinem ersten Arbeitstag im Aufzug getroffen und ihn gefragt, ob er hier arbeitet!«
    Die Männer brüllten vor Lachen, und innerhalb einer halben Stunde hatte die Geschichte in der Druckerei die Runde gemacht.
     
    Nachdem sie sich in ihrer Wohnung und am Arbeitsplatz eingelebt hatte, beschloss Odette, die seit langem erträumte Pilgerfahrt nach Zanana zu unternehmen. Da sie annahm, dass das Tor verschlossen und das Betreten schwierig sein würde, entschied sie sich dafür, wie früher dorthin zu gelangen. Per Boot.
    Aber zuerst fuhr sie ›nach Hause‹. Als sie durch die Vorortstraßen von Kincaid ging, wo sie mit ihren Eltern gewohnt hatte, stiegen Erinnerungen in ihr auf – das tröstliche Wissen, geliebt worden zu sein, die eng miteinander verbundene Familie, die sie gewesen waren, und die Einheit, die Ralph und Sheila Barber gebildet hatten.
    Obwohl sich wenig verändert hatte, kam ihr alles kleiner vor als in ihrer Erinnerung. Häuser und Gärten sahen gepflegter aus, ein paar neue Geschäfte waren entstanden, aber es wirkte alles noch so vertraut wie damals, als sie von hier fort musste.
    Sie blieb am Tor ihres Elternhauses stehen. Auch hier hatte sich nichts verändert. Odette hatte plötzlich die verrückte Idee, sie könne einfach den Pfad entlanggehen, durch die Tür treten, rufen, und Sheila und Ralph würden da sein, um sie zu begrüßen.
    »Odette …? Bist du das?«
    Mrs. Bramble, die Nachbarin, die sich um sie gekümmert hatte, kam den Weg herunter. Ein Lächeln breitete sich über ihr Gesicht. »Diese Haare sind unverwechselbar. Wie geht es dir, meine Liebe?«
    »Sehr gut, vielen Dank, Mrs. Bramble. Ich bin gerade nach Sydney gezogen und dachte … na ja …«
    »Gewiss. Deine Tante hat mir geschrieben, dass du herkommen würdest. Komm und trink eine Tasse Tee mit mir. Hat keinen Sinn zu fragen, ob du hineingehen und dir das Haus ansehen kannst.« Sie senkte die Stimme. »Da wohnt jetzt eine pingelige alte Dame. Hält sich meist für sich. Nicht sehr nachbarschaftlich.«
    »Ich glaube nicht, dass ich ins Haus gehen möchte. Es scheint sich hier nicht viel verändert zu haben.« Sie gingen zu Mrs. Brambles Haus zurück.
    »Nein. In Kincaid tut sich nicht viel. Erzähl mir, wie es deiner Tante geht und was du jetzt machst. Du bist ja richtig hübsch geworden«, meinte sich lächelnd.
    Als der Tee getrunken und der Teller mit Keksen leer gegessen war, hatten sie sich gegenseitig alles erzählt, was es an Neuigkeiten gab. Odette sagte Mrs. Bramble nichts von dem wahren Grund ihres Hierseins.
    Doch für den Fall, dass es irgendwelche Veränderungen in Zanana gegeben haben sollte, fragte sie zögernd: »Ist hier viel abgerissen und neu gebaut worden?«
    »Meine Güte, nein. In Kincaid verändert sich nie etwas. Gut, lass uns in Verbindung bleiben. Du kannst jederzeit vorbeikommen. Grüß deine Tante von mir. Und ich werde auf deinen Namen in der
Women’s Gazette
achten.«
    »Es wird noch eine Weile dauern, bis ich namentlich genannt werde. Nochmals vielen Dank, Mrs. Bramble. Auf Wiedersehen.«
    Odette ging zum Bootsverleih und fragte, ob sie ein Dinghi leihen könnte. »Ich habe früher hier gewohnt … ich möchte gern für zwei Stunden oder so den Fluss hinaufrudern. Eine Art Erinnerungsfahrt.«
    Der Besitzer betrachtete sie neugierig. Irgendwas an dem großen, schlanken Mädchen mit den rotbraunen Locken und den klaren, aquamarinblauen Augen kam ihm bekannt vor, aber ihm fiel der Zusammenhang nicht ein. »Nehmen Sie einfach eins von den Booten, die da am Steg vertäut sind. Über die Bezahlung reden wir, wenn Sie zurückkommen.«
    Er sah Odette nach, als sie mit kräftigen Schlägen vom Steg wegruderte und das sonnenbeschienene Wasser durchschnitt. Dann fiel es ihm ein. Das Barber-Mädchen, dessen Eltern ertrunken waren. Er schüttelte den Kopf. Traurige Erinnerungsfahrt.
    Der Fluss war genau wie immer, und zuerst empfand sie es als erwärmend und angenehm, sich das Entzücken der damaligen Sommertage in Erinnerung zu rufen. Aber dann überkam sie ein plötzliches Gefühl der Furcht vor dem, was sie vorfinden mochte. Sie ließ die Ruder schleifen, ließ sich treiben, verwirrt über ihre Gefühle. Ob wohl der Verwalter und sein Sohn noch dort waren? Sie hoffte es und ruderte entschlossen weiter auf Zanana zu.
    Als sie sich der Biegung näherte, ließ sie wieder die Ruder

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