Das Dornenhaus
die weiß getünchten Wände, den unangenehmen Geruch von Antiseptika und das Stöhnen der Männer wahr, die Schmerzen litten. Erschöpft nickte er und streckte der jungen Schwester dankbar die Hand entgegen. Schweigend drückte sie seine Hand und ging mit einem Rascheln der gestärkten Tracht und geräuschvollen Tritten in ihren festen Schuhen davon.
Der Weltkrieg, jetzt gewonnen, kam an sein trauriges Ende. Die Begeisterung, die Erregung und der Optimismus, aus denen heraus sich die Männer der Herausforderung gestellt hatten, waren zu Schmerz, Trauer und Entsetzen geworden und in dem erschöpften Bewusstsein der Sinnlosigkeit des Krieges erloschen. Aber sie hatten den Feind trotz erbitterten Widerstandes geschlagen, und darauf waren sie stolz.
Gladys Butterworth bemühte sich, nicht verbittert zu sein, als sie im
Daily Telegraf
von den letzten Säuberungsaktionen las. Ihr Harold war für immer verloren, gefallen in einem unbekannten Land, aber das Leben musste weitergehen.
Die lähmende Traurigkeit ihrer Tage wandelte sich, als ein Brief von Wally Simpson für sie in Zanana eintraf. Eine Krankenschwester hatte ihn geschrieben, sie erklärte, dass Wally verwundet sei.
… schwere Schrapnellverletzungen an seiner rechten Körperseite behindern die Bewegungsfähigkeit, und er leidet immer noch an den Auswirkungen des Senfgases, daher schreibe ich diesen Brief nach seinem Diktat.
Der Brief lautete:
Ich wollte Dich fragen, Gladys, ob ich nach Zanana kommen kann – um mich ein wenig zu erholen. Ich muss weiterhin den Arzt aufsuchen und habe es nicht eilig, allzu bald nach Bangalow zurückzukehren. Leider muss ich Dir sagen, dass Enid vor mehreren Monaten gestorben ist. Meine Frau war nie sehr kräftig, wie Du Dich vielleicht erinnerst, und eine Grippeepidemie hat sie dahingerafft. Zusammen mit dem Verlust von Harold hat mich das sehr niedergeschlagen, und zum ersten Mal in meinem Leben war es mir egal, ob ich lebte oder starb, um ehrlich zu sein, Gladys. Ich möchte Dir natürlich nicht zur Last fallen, aber ich dachte mir nur, dass ich in Zanana schneller auf die Beine käme, als wenn man mich mit irgendwelchen halb verrückten Kerlen in ein Krankenhaus stecken würde …
Gladys zeigte Kate den Brief. »Wie traurig, die Sache mit Mrs. Simpson. Natürlich kann er bei uns bleiben«, stimmte Kate zu.
Als sie merkte, wie Gladys Butterworth bei den Vorbereitungen für Wally Simpsons Ankunft aufblühte, begann Kate einen Plan für Zanana zu erwägen.
Zwei Tage später eilte Gladys zur Verandatür, an der Sid Johnson wie wild klopfte und nach ihr rief.
»Was ist denn los, Sid?«
»Es ist vorbei, Gladys. Sie haben den Waffenstillstand unterzeichnet. Es ist vorbei. Ben kommt nach Hause.« Seine Augen glänzten, und sein Gesicht, das in den letzten achtzehn Monaten stark gealtert war, wurde von einem breiten Lächeln erhellt.
»Gott sei Dank, Sid! Schnell, hol Nettie her, damit wir es feiern können. Ich setz schon mal den Kessel auf.«
»Warum machen wir nicht zur Feier des Tages den guten Sherry und den Port auf?«, schlug Kate vor, die von hinten herangekommen war.
Als Sid durch den Garten eilte, um seine Frau zu holen, umarmte Kate ihre Pflegemutter. »Ich weiß, wie du dich fühlen musst, Mum. Aber wir haben einander – und das ist die Hauptsache.«
Die Ankunft der ersten Europa-Heimkehrer aus dem Distrikt von Kincaid war ein Anlass zum Feiern für die ganze Stadt. Hunderte kamen zum Bahnhof, um den Zug zu empfangen, der die Männer aus Darling Harbour brachte, wo die Truppentransporter die kriegsmüden Soldaten ausgeladen hatten. Selbst diejenigen, deren Söhne, Väter, Ehemänner und Brüder nicht nach Hause kommen würden, wollten deren Kameraden zujubeln. Der Bahnhof war mit roten, weißen und blauen Fähnchen und Flaggen geschmückt, und die Blaskapelle von Kincaid spielte schwitzend in ihren marineblauen Uniformen patriotische Lieder. Der Bahnsteig und das anschließende Gelände standen voller Menschen, und ein Schrei erhob sich, als ein junger Gepäckträger, der auf den hundert Meter entfernten Signalmast geklettert war, eine Fahne schwenkte zum Zeichen, dass der Zug sich näherte.
Jubel und Applaus brandeten auf, als der Zug in einer weißen Dampfwolke und mit schrillem Pfeifen in den Bahnhof rollte. An den Abteilfenstern hingen Trauben von Männern in khakifarbenen Uniformen, schwenkten ihre Hüte, riefen Freunden und Verwandten etwas zu oder gaben nur ihrer Freude
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