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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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auserwählten und snobistischen Teils der Gesellschaft seicht und doof.
    »Warum machen sie so was nur? Diese Wohltätigkeitsbälle, Cocktailpartys, Festbankette und Debütantinnenbälle?«, fragte sie.
    Miss Cooper, die für Odette wie die Direktorin einer schicken englischen Privatschule aussah und sich in vornehmem Ton und gewählter Sprache ausdrückte, sah sie verwirrt an. Ihre Augen blitzten hinter den Brillengläsern auf, voller Erstaunen darüber, dass irgendjemand das in Frage stellen konnte, was für sie ihre Daseinsberechtigung war. Odette fiel zum ersten Mal Miss Coopers Brille auf. Sie schien das einzig Frivole an der makellosen, aber konservativen Aufmachung der Redakteurin. Die Brille lief in Form von Katzenaugen seitlich nach oben spitz zu und war, wenn auch diskret, mit kleinen Gold- und Silbersprenkeln geschmückt.
    »Odette, diese Veranstaltungen bringen Geld für gute Zwecke ein. Wohltätigkeit, meine Liebe. Es schadet doch nichts, daraus ein festliches Ereignis zu machen. Wenn die Leute Geld spenden, erwarten sie etwas dafür. Das ist der Lebensstil. Ein Art zu leben und sich zu unterhalten und den Standard zu wahren. Seinen Verpflichtungen nachzugehen. Eine Menge dieser Veranstaltungen mögen nach außen hin wie Partys aussehen, Odette, aber es sind oft genug Geschäftstreffen. Die richtigen Leute zu treffen und zu kennen kann höheren Ortes Türen öffnen.«
    Odette antwortete nicht. Es war also nicht alles nur müßiger Zeitvertreib. Hinter dem Geplauder, den Cocktails und dem Geplänkel spielte sich ein primitives Schachern ab. Geschäftskontakte, Informationen und Gefallen wurden ausgetauscht, Söhne und Töchter eingeführt. Aber warum konnten sie das nicht bei einem Teller Butterbrote und einer Kanne Tee machen statt bei ›Filet Mignon‹ und Champagner? Vielleicht, um den Damen Gelegenheit zu geben, ihre neuesten Modekreationen zu tragen.
    Odette widmete sich den Gesellschaftsereignissen mit viel Energie, da sie wusste, dass sie »aus jedem Punkt einen Gewinnpunkt« machen musste, wie Tante Harriet zu sagen pflegte. Je mehr Odette jedoch die gesellschaftlichen Rituale beobachtete, desto mehr verachtete sie diese Welt. Sie entwickelte ein unfehlbares Geschick dafür, bei jeder Veranstaltung, wie groß oder klein sie auch immer war, direkt auf den Mann loszusteuern, der mit seiner Geliebten dort war, und ihn zu fragen, ob man das Paar für die Gesellschaftsseiten fotografieren dürfe. Die verschiedenen Pressefotografen begannen Buch über Odettes Trefferquote zu führen. Diejenigen, die sie dazu brachte, sich fotografieren zu lassen, fanden nie Miss Coopers Zustimmung.
    »Odette, das sind keine aus der ersten Garnitur. Hier, nehmen Sie das ›Who’s Who‹ und das Gesellschaftsregister mit nach Hause und lesen Sie über die besseren Familien nach.«
    »Das sind nicht die besseren Familien, Miss Cooper. Sie haben nur mehr Geld.«
    »Ob sie sich den Einlass erkauft haben oder in diese Kreise hineingeboren wurden, sie sind trotzdem drin. Die wahren Blaublütigen leben auf dem Lande, wir müssen uns in der Zwischenzeit mit den Kreisen aus den östlichen Vororten von Sydney begnügen.«
    Miss Cooper war kurz angebunden. Es war deutlich zu merken, dass ihr Odettes Infragestellung dessen, was sie immer für selbstverständlich gehalten hatte, nicht gefiel. Ihr schales Leben war angefüllt mit Verlobungen, Hochzeiten, Geburten und Todesfällen in einer Hierarchie, in die sie hineingeboren war, aber an der sie nie richtig teilgehabt hatte. Allmählich erfuhr Odette, dass Miss Coopers Familie zwar einen ›Namen‹ hatte, aber wenig Geld. Obwohl sie eine gewisse Macht als Gebieterin darüber besaß, wer auf den Gesellschaftsseiten auftauchte, nahm sie an Veranstaltungen nie in ihrer Funktion als Gesellschaftsredakteurin der
Women’s Gazette
teil. Geld für den Lebensunterhalt verdienen zu müssen galt nicht als standesgemäß.
    Odette fühlte sich der wohlhabenden Gesellschaftsschicht nicht unterlegen, aber ihr fiel doch auf, wie weltfremd ihre Kleidung und Aufmachung war im Vergleich zu den eleganten Redakteurinnen der
Gazette
und dem modernen Stil der anderen jungen Reporterinnen. Odette hatte sich stets einfach gekleidet – Röcke und Blusen, durchgeknöpfte Kleider. Jetzt war sie mit taillierten Kammgarnkostümen, Hüten und Handschuhen konfrontiert und mit jedem aus Europa importierten neuen Modestil.
    Viele der jungen Frauen trugen ihr Haar zu einer Außenrolle aufgesteckt oder hatten eine

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