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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Dauerwelle. Odettes widerspenstige goldrote Locken ließen sich nicht glätten oder ordentlich in Form bringen. Sie lackierte ihre Fingernägel nicht und fragte sich, wie es den Frauen gelang, mit diesen überlangen, blutroten Krallen zu tippen. Sie benutzte nur wenig Make-up und bewunderte ehrfurchtsvoll die kunstvoll geschminkten Augen der Mannequins, die zum Fotografieren in die Redaktion kamen.
    Odette machte eine entsprechende Bemerkung gegenüber Kay Metcalf, die grinste. »Sie überstrahlen sie alle, Odette. Sie sind hübsch und natürlich, also belassen Sie es dabei. Ein frisches Gänseblümchen unter lauter künstlichen Blumen. Aber Sie werden es schnell genug lernen – nächsten Monat wechseln Sie vom Gesellschaftsressort zu Betsy Blake in die Moderedaktion.«
    Odette beschränkte ihr Interesse nicht auf die
Women’s Gazette,
sondern wanderte durch die Stockwerke, wo die anderen Publikationen der Australischen Zeitungsgesellschaft produziert wurden. Geführt von Toby, wagte sie sich auch in den Keller hinunter, in die Setzerei und Druckerei, wo die Linotype-Setzmaschinen klapperten und ratterten, bedient von Männern in von Druckerfarbe geschwärzten Schürzen und Kappen aus Zeitungspapier. Es war eine betriebsame Welt, die sie faszinierte, eine Welt des berauschenden Geruchs nach heißem Blei und Druckerschwärze, wo die auf Manuskriptpapier getippten Artikel in Bleizeilen verwandelt, mit Druckerschwärze eingefärbt und dann in langen Papierfahnen zur Korrektur abgezogen wurden. Druckerlehrlinge liefen mit Seiten und Korrekturfahnen durch die Gänge, und es herrschte ständiger Lärm und Bewegung. Eine fast greifbare Spannung lag in der Luft, besonders bei Redaktionsschluss, doch die Männer verloren auch dann ihre gutmütige Freundlichkeit nicht.
    Das große, pochende Herz der Zeitung zu sehen, wenn sich die gewaltigen Rotationsmaschinen in Bewegung setzten, war für Odette sehr aufregend. Sie hatte das starke Gefühl dazuzugehören. Sie wusste, dass sie ihre Richtung und ihren Platz in der Welt gefunden hatte. Sie freundete sich mit einigen der Drucker an, die sich über Odettes Interesse an ihrer Arbeit freuten. Die Drucker erklärten ihr, wie aus diesem scheinbaren Chaos Ordnung entstand und eine Publikation, die immer zum angegebenen Zeitpunkt fertig wurde.
    Die neue Vierfarbrolle für die Zeitschriften war eine erregende Innovation für eine Druckerei, in der seit der Vorkriegszeit nicht viele technische Neuerungen eingeführt worden waren. »Eines Tages werden vielleicht sogar Zeitungen im Vierfarbdruck hergestellt werden«, sagten sie ihr.
    Odette zog die Nase kraus. »Nein, das wäre nicht dasselbe. Zeitschriften sind eine Sache für sich, aber meine Morgenzeitung habe ich lieber in Schwarzweiß.«
    »Sie sind eine Traditionalistin, Odette. Man kann nicht in der Vergangenheit verharren, wenn täglich neue technische Entwicklungen auf den Markt kommen«, meinte einer der Drucker.
    »Die euch dann arbeitslos machen«, sagte sie lachend.
    »Wenn das passiert, geh ich angeln«, verkündete ein anderer.
    Die Männer richteten sich plötzlich auf und taten sehr geschäftig. Odette drehte sich um und sah den alten Mann, den sie am ersten Tag im Aufzug getroffen hatte, vor sich aufragen. Er trug einen dunklen Anzug und die gleiche dunkle Brille mit dem schweren Gestell.
    »Sie arbeiten immer noch hier?«, fragte er.
    Sie grinste ihn an. »Ja. Und Sie anscheinend auch!«
    Ein leichtes Lächeln umspielte seinen strengen Mund. »In der Tat. Gefällt es Ihnen?«
    »O ja. Sehr gut.«
    »Warum sind Sie hier unten?«
    »Um zu erfahren, wie das alles … funktioniert. Ich wollte wissen, was mit meinen Worten passiert.«
    »Und wie schätzen Sie Ihre Worte zum jetzigen Zeitpunkt ein?«
    »Sie beginnen, für mich zu arbeiten … na ja, wenigstens glaube ich das. Sie sind zumindest besser als einiges von dem Quatsch, der so gedruckt wird.«
    »Von diesen Maschinen?«, fragte er.
    »Ja.«
    »Hm … War schon was von Ihnen im
Dady?«
    »Bisher noch nicht. Ich bin immer noch Volontärin bei der wöchentlichen
Gazette

    »Das kommt noch, junge Dame. Da wette ich drauf.« Er drehte sich um und ging weg.
    Der Setzer sah Odette mit einem verblüfften Ausdruck an. »He, Sie trauen sich aber was.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »So mit dem Chef zu reden. Ich dachte, er würde Sie rausschmeißen, weil Sie sich hier unten rumtreiben.«
    »Dem Chef? Wer ist das?«
    »Sir George Tippit. Dem gehört die Australische

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