Das Dornenhaus
Abteils drückte und Catherine gezwungen war, die Vorhänge zuzuziehen.
Die Mahlzeiten wurden im Speisewagen erster Klasse eingenommen. Sie wurden von Kellnern in Turban und makellosen weißen, mit roten und goldenen Tressen besetzten Uniformen serviert, an mit weißem Leinen und schwerem Silber gedeckten Tischen. Das Silber trug das Wappen der Königlich Indischen Eisenbahngesellschaft. Robert und Catherine freundeten sich mit verschiedenen englischen Familien an, die alle schon lange in Indien weilten, und waren fasziniert von ihren Geschichten über das Leben in diesem exotischen Land.
Am Ende des Radscha-Express befanden sich die Waggons dritter Klasse: Holzsitze, keine Scheiben in den Fenstern und restlos überfüllt. Die Reisenden waren Welten entfernt von den Passagieren der ersten Klasse. Sie schliefen überall dort, wo es möglich war – aufrecht stehend zwischen den Mitreisenden oder ausgestreckt auf den staubigen Gängen. Sie aßen von dem, was sie mitführten, oder rangelten um billige, würzige
samosas, chapatis
und in Blätter gewickelten gekochten Reis bei den Händlern, wenn der Zug anhielt.
Nach drei Tagen fuhr der Zug in Kaliapur ein, und Robert half Catherine heraus auf den staubigen Bahnsteig, wo sie sogleich von rot bejackten Gepäckträgern umringt wurden. Sie standen in der wirbelnden Menge und sahen verwirrt, wie einige ihrer Gepäckstücke in verschiedene Richtungen verschwanden. Mit Erleichterung entdeckten sie Lady Willingham, die auf sie zugesegelt kam. Sie trug einen großen Schirm vor sich her, mit dem sie die Menge teilte, während sie gleichzeitig ihren Kutscher und den Boy anwies, das Gepäck der MacIntyres zu retten.
Nachdem sie sich herzlich begrüßt hatten, wurden Catherine und Robert in Lady Willinghams offenem Landauer platziert, dem der Nummer-eins-Boy mit dem Gepäck auf einem einspännigen Kutschwagen folgte. Lady Willingham reichte Catherine einen blassblauen Parasol und spannte selbst ihren schwarzen Schirm auf.
»Schützen Sie Ihr Gesicht vor der Sonne, meine Liebe. Sie ist sehr stark und wird Ihren Rosenteint verderben.«
Robert lächelte seine hübsche Braut an. »Auch in Australien brennt die Sonne sehr heiß, du solltest Lady Willinghams Rat befolgen.« Catherine nickte, war aber mehr an den wimmelnden Menschen und den geschäftigen Straßen interessiert, während sie sich ihren Weg durch die Stadt bahnten. Allmählich verließen sie den brodelnden Geschäftsbezirk, und die Straßen wurden breiter, beschattet von scharlachrot blühenden Flamboyantbäumen.
Als sie an einer hohen Steinmauer vorbeikamen, fragte Catherine: »Was befindet sich dahinter, Lady Willingham?«
»Das Quartier der Soldaten. Dort werden sie ausgebildet. Wir haben ein recht schmuckes Regiment hier in Kaliapur. Sie marschieren meist nur bei zeremoniellen Anlässen auf, obwohl Sir Montague sie vor einiger Zeit ausrücken lassen musste, um einen Aufruhr zu unterdrücken. Zum Glück war es nur ein kleiner Sturm im Wasserglas. Ah, hier ist die Residenz. Sie sehnen sich sicher nach einem anständigen Bad und einem bequemen Bett.«
Catherine hielt den Atem an, als der Landauer in die Auffahrt bog. Die Residenz des Vertreters der britischen Krone bot sich dar als eine exotische Mischung aus herrschaftlicher Pracht und altenglischem Charme. Die klassische Palastvilla aus rosafarbenem Sandstein war von einer hohen Mauer mit Brustwehr umschlossen. Die kunstvoll geschnitzten Tore wurden von uniformierten Wächtern zu Pferde bewacht. Sobald sie sich innerhalb der Mauern befanden, eröffnete sich vor ihren staunenden Augen die Schönheit eines traditionellen englischen Blumengartens.
Während außerhalb der Mauern der Residenz die Sandwege und Bäume staubbedeckt und trocken waren, war dieser Garten gepflegt und üppig grün. Eine Rabatte säumte die Auffahrt mit blühendem Rittersporn, Glockenblumen, Stockrosen und Pfingstrosen. Näher am Haus waren Azaleenbüsche und große Rhododendren mit Blüten übersät wie mit farbigem Schnee. Weiter entfernt in einem kleinen Teich erblickten sie einen marmornen Miniaturpavillon, wo man sitzen und die heitere Gelassenheit des Teiches und des Gartens im kühlen Schatten genießen konnte.
Die große Eingangshalle des Hauses hatte einen auf Hochglanz gebohnerten Holzboden, auf dem Läufer aus Kurdistan und Herat ausgebreitet lagen. Zeitgenössische viktorianische Möbel, große goldgerahmte Bilder, die den Lake District und treuherzige Springerspaniels zeigten,
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