Das Dornenhaus
diesen Besuch ermöglicht zu haben.
Die alte Maharani nahm Catherines Hände zwischen ihre weichen, beringten Finger. »Möge das Glück über Ihrem Leben leuchten.« Ihre dunklen Augen schauten Catherine ins Gesicht, und in ihrer Tiefe entdeckte Catherine tiefe Traurigkeit.
Die Maharani wandte sich an Lady Willingham. »Bringen Sie dieses Mädchen zu Guru Tanesh, Lady Willingham.«
Ihr Ton war ernst, und die Gattin des Vertreters der britischen Krone schaute erstaunt, fing sich aber rasch wieder und nickte. »Ja, Sie haben Recht. Ich glaube, Mrs. MacIntyre würde ihn interessant finden.«
»Es könnte wertvoll für dieses Kind sein.« Die Maharani ließ Catherines Hände los und legte sich den Zipfel ihres Saris über die Schulter. Eine Dienerin erschien neben der Maharani mit einem kleinen geschnitzten Holzkästchen, das sie Catherine reichte. »Ein kleines Andenken an Ihren Besuch in unserem Zanana.«
Catherine öffnete das Ebenholzkästchen, in dem ein wunderschön geformter, dunkelblauer Parfümflakon lag.
»Er enthält unsere spezielle Parfümmischung aus Rosenduft. Erfreuen Sie sich daran, meine Liebe.«
Catherine war ganz überwältigt und folgte mit einem scheuen Winken zu den Frauen Lady Willingham und ihren hübschen Begleiterinnen aus dem Raum.
»Wer ist Guru Tanesh?«, fragte sie, als sie die Marmorstufen hinab zu ihren wartenden Palankins schritten.
»Ein weiser Mann mit großem Wissen und besonderen Kräften.«
»Eine Art Wahrsager?«
»So bezeichnet ihn mein Gatte, aber Guru Tanesh ist kein Scharlatan. Er ist mehr ein heiliger Mann und spiritueller Führer. Vielleicht sollten Sie ihn wirklich aufsuchen, wie die Maharani vorgeschlagen hat. Allerdings ist es eine ziemlich anstrengende Fahrt hinauf in die Berge.«
»Ich würde wirklich gerne zu ihm gehen. Wäre es möglich, dass Robert mich begleitet?«
»Ich werde dafür sorgen, dass Sie beide zur Hill Station, unserer Landresidenz, gebracht werden. Nur werde ich Sie leider nicht begleiten können, da ich andere Verpflichtungen habe, was Sie sicher verstehen.«
»Natürlich, Lady Willingham. Ich weiß nicht, wie ich Ihnen für diesen wundervollen und faszinierenden Tag danken soll, den wir hier verbracht haben.«
Die ältere Frau wandte sich Catherine zu, bevor sie ihren Palankin bestieg. »Das brauchen Sie nicht, liebes Kind. Es hat mir Freude gemacht zu sehen, wie aufrichtig Sie dieses Erlebnis genossen haben.«
Am Abend, zusammengekuschelt in dem großen Himmelbett, umhüllt von dem hauchdünnen Moskitonetz, erzählte Catherine Robert vom Zanana.
»Hört sich für mich an wie ein goldener Käfig.«
»O Robert, das ist es auf gewisse Weise auch, aber sie leben so geborgen und glücklich dort. Es ist ein Refugium, ein Zufluchtsort für Frauen und für alle, die sie bei sich aufnehmen. Jeder ist geschützt im Zanana. Es kam mir richtig märchenhaft vor.«
»Ein Zufluchtsort … so, so.« Robert gähnte, drehte sich zur Seite und verbarg sein Gesicht an Catherines weicher Kehle. »Hmm … du duftest nach Rosen …«
Robert stand dem Besuch bei Guru Tanesh zweifelnd gegenüber, willigte aber ein, weil Catherine so erpicht darauf schien und es ihm Gelegenheit bot, die Hill Station von Kaliapur zu besuchen, wie die Engländer ihre im Bergland gelegenen Residenzen zu nennen pflegten. Sie wurden nur im Sommer benutzt und boten einen kühlen Rückzugsort. Das lang gestreckte, weiträumige Haus war eine Mischung aus kolonialer Pracht und englischer Landhausgemütlichkeit, einschließlich einer Bibliothek, Chintzsofas und einem Kamin.
Teeplantagen und kühle Wälder umgaben das Residenzgelände. Dahinter erhoben sich steile Berge, deren Spitzen im Dunst verschwanden. Die großen Fenster und terrassenförmig angelegten Rasenflächen an der Vorderseite der Residenz boten einen Ausblick auf Täler und ferne Berge. Außer in den Dienstbotenquartieren und einem kleinen Dorf weiter unten im Tal lebten hier keine anderen Menschen.
Robert und Catherine waren allein in der Residenz, umsorgt von einigen älteren Dienstboten. Es war angenehm kühl und an den Abenden so fröstelig, dass es sich lohnte, ein Feuer zu entzünden. Ihr Kutscher, der sie zur Residenz gebracht hatte, sagte ihnen, dass er sie an einem der nächsten Tage zu Guru Tanesh bringen würde.
»Genauer kannst du es nicht sagen?« Robert hatte inzwischen Erfahrung mit der Flexibilität indischer Zeitangaben.
Singh, der Kutscher, zuckte mit den Schultern und hob den Arm mit einer
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