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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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dazu Antiquitäten und schimmerndes Silber gaben Catherine das Gefühl, sich im Haus eines reichen englischen Aristokraten zu befinden. Aber die vielen Dienstboten, die luxuriöse Umgebung und der Lebensstil gingen weit über den des britischen Landadels hinaus. Die Jahre in dieser Umgebung hatten Sir Montague und Lady Willingham ein Auftreten verliehen, als entstammten sie dieser Welt, wenn sich auch Catherine erinnerte, dass Lady Willingham ihr auf dem Schiff erzählt hatte, sie stamme aus einem kleinen Dorf in Surrey.
    Robert und Catherine hatten sich bald in der luxuriösen Residenz eingelebt, und die Tage flogen vorbei. Sir Montague nahm Robert unter die Fittiche und führte ihn in seinen Club ein, während Lady Willingham Catherine durch die farbenfrohen Basare begleitete. Jeden Abend erzählten sie sich ihre Erlebnisse in dem breiten, von einem Baldachin gekrönten Bett.
    Eines Tages, als Catherine die Einladung von Sir Montague ablehnte, ihn und Robert auf die Tigerjagd zu begleiten, machte Lady Willingham einen anderen Vorschlag. »Meine Liebe, hätten Sie Lust, mit mir zusammen unsere hiesige Maharani und ihr Palastgefolge im Zanana zu besuchen?«
    »Aber gerne. Was ist ein Zanana?«
    »Das sind die Privatgemächer im Palast, wo die königlichen Frauen in
purdah
leben.«
    »Purdah?
Ist das so etwas wie ein Harem?« Catherines Augen weiteten sich vor Staunen und Neugier.
    Lady Willingham lachte. »Es ist eine matriarchale Hierarchie, angeführt von der alten Maharani. Jede kennt ihren Platz und ihre Pflichten, und die Frauen kommen ausgezeichnet miteinander aus. Sie führen ein sehr behütetes Leben. Sie werden es bestimmt interessant finden, Catherine, und die Damen wären entzückt, Sie kennen zu lernen.«
    Zu dem prächtigen Palast wurden sie in zwei Palankins getragen – kastenförmigen Sänften zwischen zwei Stangen, die auf den Schultern zweier rasch laufender Träger ruhten, einer vorn, einer hinten. Abgeschirmt durch einen geblümten Musselinvorhang, saß Catherine auf einem Kissen, hielt sich an den Seiten fest und gewöhnte sich allmählich an das Schaukeln.
    An den Geräuschen von draußen erkannte sie, dass sie beim Palast angelangt waren. Ihr Palankin wurde zu Boden gelassen und der Vorhang angehoben. Ein lächelnder Inder in Uniform mit einer roten Feder am Turban, die mit einer juwelenbesetzten Spange befestigt war, winkte sie heraus. Zwei Inderinnen in farbenprächtigen Saris, deren Enden über Kopf und Gesicht geschlagen waren, halfen ihnen beim Aussteigen.
    Catherine schaute sich rasch um und schnappte nach Luft. Sie stand im Vorhof des Hauptpalastes. Neben den Marmorstufen, die zum Haupteingang hinaufführten, standen zwei Elefanten, geschmückt mit Goldborten, farbigen seidenen Kopfbändern und reich bestickten Tüchern über ihren Rücken. Diese riesigen Tiere standen gleichgültig da und sahen leicht gelangweilt aus, sie ließen die Rüssel schwingen oder verlagerten das Gewicht von dem einen auf den anderen Fuß. Daneben standen steif aufgerichtet ihre
mahouts
, zwei junge Inder in einfachen weißen
dhotis
, die sich augenfällig von den leuchtenden roten, weißen und goldenen Uniformen der Palastwache abhoben.
    Das Zanana war ein kleineres, zweistöckiges Gebäude seitlich vom Hauptpalast. Wenn auch von bescheidener Größe, war die Fassade ein einziges Glitzern aus farbigen Steinchen und Schnitzereien. Sie schimmerte im Sonnenlicht wie das Rad eines Pfaus. Smaragdgrüne, indigoblaue und goldene Mosaiken waren in kunstvollen Mustern angebracht, und rundum lief ein Fries mit exotischen Tänzerinnen auf reich geschmückten Tafeln. Am oberen Stockwerk entlang zogen sich Balkone mit Rundbögen, die mit Bambusrollos verhangen waren. Weibliche Gestalten in Saris waren silhouettenhaft hinter den Vorhängen zu sehen, schauten hinunter in den Hof und beobachteten die Ankunft der beiden weißen Frauen.
    Lady Willingham gab Catherine ein Zeichen, und sie begaben sich zum Eingang, begleitet von den aufgeregt um sie herumflatternden Inderinnen. Eine willkommene Brise schlug ihnen auf den Marmorstufen entgegen und hob den Rand des Saris der ihnen vorangehenden Frau. Die andere folgte ihnen, und Catherine stieg der süße Duft von Patschuli in die Nase, der von diesen schmetterlingshaften Wesen ausging. Ihre nackten Füße machten kein Geräusch auf den glänzenden Fliesenböden, und das leise Klirren ihrer Beinkettchen hob sich von den harten Tritten der Lederschuhe ab, die die beiden englischen

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