Das Dornenhaus
aber, Kate. Fotos von dir auf schicken Partys und tollen Empfängen sollten in den Frauenzeitschriften erscheinen – du weißt schon, was ich meine«, sagte er lächelnd.
»Und was ist mit dir? Vielleicht solltest du auch in die große weite Welt hinausgehen, dich vergnügen und mit Leuten deines Alters verkehren«, gab Kate zurück.
Ben antwortete nicht, sie wechselten das Thema und beide waren froh, als Sid plötzlich auftauchte und Ben bat, etwas in den Ställen für ihn zu erledigen.
Kate floh in den Rosengarten, war verletzt und verwirrt. Warum konnte niemand ihre Gefühle verstehen? Warum fühlte sie sich im einen Moment so glücklich und war im nächsten von schmerzlicher Sehnsucht erfüllt und dem Gefühl, alles in Frage stellen zu müssen? Warum erschienen ihr die vor ihr liegenden Jahre als nebelverhangener, unbekannter Pfad, der in ein Land der Schatten und Sorgen führte? Manchmal wollte sie, dass ihr Leben genauso blieb wie jetzt, dann wieder verspürte sie eine Sehnsucht nach etwas Endgültigerem, an das sie sich klammern konnte, das sie umhüllen und ihre Welt sicher, geborgen und sonnig machen würde. In solchen Momenten dachte sie an Bens starke Arme, die sie umschlossen, an den süßen Geschmack seiner Lippen und den frischen, grasigen Duft seiner Haare.
Kate wusste nur, dass sie Zanana liebte und dass sie Ben liebte. Die beiden Dinge waren nicht voneinander zu trennen.
Sie war verstimmt, dass Ben ihr zuredete, Hock Lees Plänen zuzustimmen und eine Saison in Sydney zu verbringen. Je mehr sie darüber nachdachte, desto stärker wurde das Gefühl dickköpfiger Unabhängigkeit, das sich in ihr Herz schlich, und schließlich verkündete sie Hock Lee und Mrs. Butterworth, sie könnten loslegen und alles arrangieren, was sie wollten.
»Was aber nicht bedeutet, dass ich es auch nur im Geringsten genießen werde«, sagte sie, warf den Kopf zurück und streckte das Kinn vor.
Mrs. Butterworth tauschte ein Lächeln mit Hock Lee aus, als Kate aus dem Zimmer segelte. »Sorgen Sie nur dafür, dass sie gut in die Gesellschaft aufgenommen wird. Sie wird schon ihren Spaß haben und es genießen, da bin ich sicher.«
Hock Lee machte sich sofort an die Vorbereitungen, seine schöne Patentochter in die Gesellschaft von Sydney einzuführen. Die zwanziger Jahre versprachen, ein Jahrzehnt der Frivolität, der Ausgelassenheit und Schnelllebigkeit zu werden. Aber wie es für diese scheue junge Frau passend war, die einen der größten Besitze des Landes erben würde, gestaltete er ihre Einführung mit Anstand und Zurückhaltung.
Kate wurden verschiedene Möglichkeiten geboten, wo sie während ihrer zwei Monate in Sydney wohnen konnte, aber sie entschied sich für die Gästezimmer von Hock Lees Villa in Mosman. Seine beiden Schwestern lebten noch zu Hause, und Kate fühlte sich in der vertrauten Umgebung wohler.
Ihr wurde ein blassgrün gestrichenes Schlafzimmer zur Verfügung gestellt, dazu ein eigener, in dunklerem Grün gehaltener Salon und ein Vorraum. Antike chinesische Möbel schimmerten vom emsigen Polieren, und auf der Kommode stand eine handbemalte Schale aus der Ming-Dynastie. Schlicht gerahmte Bilder von alten chinesischen Landschaften hingen an der Wand. Kate betrachtete die feinen Pinselstriche, mit denen schneebedeckte Bergspitzen hinter zarten Blättern angedeutet wurden, ein Land so weit entfernt von dem erstaunlichen Hafen und dem tiefblauen Himmel vor ihren großen Aussichtsfenstern.
Hock Lee hatte dafür gesorgt, dass sich Kate eine neue modische Garderobe zulegte – Tageskleider, Kostüme und elegante Abendkleider. Sie verbrachte Tage in den Kaufhäusern von Sydney:
Marcus Clarke, Farmers, Mark Foys
und
David Jones.
Als sie zu den Pferderennen nach Melbourne fuhren, hatte er sie zu
Georges,
in das
Myer Emporium
und zu
Buckley and Nunns
geführt. Weitere Kleider wurden von zwei Schneiderinnen aus Stoffen angefertigt, die Hock Lee importierte. Hock Lee bestand auch darauf, dass sie sich mehrere Henderson-Hüte kaufte, und ließ von einem Hutmacher die neueste Pariser Hutmode nacharbeiten.
Schon bald war Kate in eine Welt der Bälle, Partys, Dinnereinladungen und Tanztees, Tennisspiele, Picknicks, Bootsausflüge, Konzerte und Theateraufführungen eingetaucht. Kate kam es so vor, als sei sie in einen Korb selbstzufriedener Bienen geraten, die summten, ausschwärmten und von einer Blume zur nächsten schwirrten. Eine Weile lang machte es ihr Spaß, großen Spaß, doch dann schien sich alles
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