Das Dornenhaus
Bäume raschelten leise und überzogen sich mit dem ersten Abendtau. Odette hatte das Gefühl, sich in eine geborgene und freundliche Umarmung zu begeben.
Zac zeigte zum Himmel hinauf, wo das Licht zu schwinden begann. »Such nach dem Abendstern und wünsch dir was.«
»Aber ich darf meinen Wunsch nicht verraten, sonst geht er nicht in Erfüllung«, erwiderte sie, schloss die Augen und verschränkte die Hände.
Der amerikanische Armeejeep aus dem Zweiten Weltkrieg mit Linkssteuerung und ohne Verdeck bog von der Straße ab und rumpelte über das Gras zu dem hölzernen Stelzenhaus, in dem Zac wohnte. Er parkte den Jeep unter dem Haus.
»Hält den Regen ab, aber nicht die Opossums. Ich bin schon oft morgens losgefahren und habe ein verschlafenes Opossum unter dem Sitz gefunden«, lachte er.
Lampen brannten entlang der Veranda, und im Haus knisterte ein kleines Feuer im offenen Kamin und warf seinen sanften Schein in den Raum, der zugleich Küche, Esszimmer und Wohnzimmer war. Ein kleines Schlafzimmer und ein Bad befanden sich auf der Rückseite des Hauses, und außen herum führte eine überdachte Veranda.
»Das ist wunderschön, Zac.«
Er lächelte. »Einfach, gemütlich und funktional.«
»Rustikal und anheimelnd«, fügte sie hinzu, während Zac die Kerzen anzündete. Odette trug ihre Tasche ins Schlafzimmer, wo ein japanischer Futon auf einem Holzpodest lag, ein Moskitonetz war darüber gespannt. Zac erschien leise hinter ihr und legte die Arme um sie.
»Das Bett ist sehr bequem.« Er rieb seinen Kopf an ihrem Haar. »Möchtest du jetzt essen oder später?«
Odette schmiegte sich an ihn, vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter, machte sich dann los und ging zum Feuer. »Ist mir egal.« Sie ließ sich auf das kleine Sofa fallen, war plötzlich schüchtern.
Zac setzte sich neben sie. »Was ist?«
»Nichts. Gar nichts. Ich kann es nur nicht fassen, dass ich hier bin. Einfach so.« Sie lächelte zurückhaltend. »Ich habe noch nie mit einem Mann zusammengewohnt.«
Zac rieb ihre Hände zwischen den seinen. »Du hast zu viel Gepäck mitgebracht.«
»Hab ich nicht! Nur eine kleine Tasche!«
»Ich meine die anderen Dinge, die du mit dir trägst – Schuldgefühle, das Bedürfnis, das Richtige zu sagen und zu tun, Eindruck machen zu wollen, den Leuten gefallen zu wollen. Sei einfach du selbst, Odette. Sei selbstsüchtig. Tu das, was dir ein gutes Gefühl verschafft.«
»Ich glaube, ich weiß nicht, was mir … ein gutes Gefühl verschafft. Ich fühle mich ein bisschen eingeschüchtert und nervös. Ich weiß, dass ich mich nicht natürlich verhalte. Gib mir etwas Zeit, mich einzugewöhnen. Vielleicht reicht die Zugfahrt nicht aus. Vielleicht sollte man die Leute durch eine besondere Tür oder einen Tunnel führen, bevor sie hier ankommen – wie Alice im Wunderland! Kann sein, dass ein Glas Wein mir helfen würde. Ich habe eine Flasche sehr guten Rotwein mitgebracht.«
»Nein. Das ist nicht nötig. Ich hab eine bessere Idee.«
Odette war noch nicht bereit, mit Zac zu schlafen. All das Verlangen und die Erinnerung waren verflogen, jetzt, wo Zac bei ihr war. Seine Kraft und seine Männlichkeit überwältigten sie, und obwohl sie es nicht gerne zugab, fühlte sie sich fremd.
Doch Zac versuchte nicht, sie zu verführen. Er streichelte nur ihr Haar. »Schau eine Weile ins Feuer. Leg noch ein Scheit nach.«
Odette streckte sich aus und blickte in die flackernden Flammen, ließ sich treiben, spürte, wie sich ihr Geist und ihr Körper langsam entspannten. Ihr war bewusst, dass Zac in einem anderen Zimmer herumkramte, dass irgendwo Wasser lief und dass es angenehm duftete, aber es schien alles weit weg.
»Komm mit mir.« Zac stand vor ihr und führte sie in das kleine Badezimmer, das warm und von Dampf erfüllt war, von den Wänden hing würziger Kampferlorbeer. Die auf einem hölzernen Podest stehende Badewanne war mit duftendem Wasser gefüllt. Aus einem deckenhohen Fenster sah man in das tropische Grün hinaus. Zac setzte sie auf den Rand des Podests, kniete sich vor sie und zog ihr die Schuhe aus. Wortlos ließ Odette sich von ihm entkleiden, und er hängte alles ordentlich über ein Holzgestell.
»Steig rein, meine Schöne. Es ist nicht zu heiß.«
Odette ließ sich ins Wasser gleiten, das sich weich anfühlte und nach Blumen roch. Zac schlüpfte aus seinen Sachen, setzte sich hinter sie in die Wanne und legte seine Arme um sie. Odette lehnte sich an seine Brust und atmete die blumigen Öle ein, die das
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