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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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schicken Kleidern anfangen soll, die ich mir auf Hock Lees Drängen angeschafft habe.« Sie lächelte und hakte sich bei Wally ein. »Jetzt erzähl mal, was es Neues gibt. Was machen die Rosen? Haben wir neue Jungtiere?«
    Unter viel Gelächter und Geplauder nahmen sie den Morgentee auf der langen Veranda ein, von der aus man die makellosen terrassenförmigen Rasenflächen und die Gärten überblickte. Hinter den Bäumen, die das Schwimmbecken und die Grotte abschirmten, glitzerte silbern der Fluss.
    Mrs. Butterworth betrachtete Kate zärtlich, die ein Milchbrötchen vertilgte und ihre Schuhe von sich schleuderte. Sie hatte sich nicht verändert. Vielleicht hatte sie mehr Sicherheit und Selbstvertrauen gewonnen, aber nichts von dem Snobismus und dem Klassenbewusstsein der so genannten besseren Gesellschaft, in der sie sich bewegt hatte, schien auf sie abgefärbt zu haben. Innerlich seufzte Mrs. Butterworth vor Erleichterung.
    Am nächsten Tag besuchte Kate, bequem gekleidet in einen Baumwollrock und eine einfache Bluse, Sid und Nettie Johnson. Nettie stellte ihr eine Menge Fragen darüber, was sie gemacht hatte und wo sie überall gewesen war, und seufzte, als Kate von der Bahnfahrt nach Melbourne erzählte. »Und ist Melbourne großartig? Was hast du alles gesehen?«, fragte sie.
    »Die Henley-on-the-Yarra-Regatta war recht hübsch. Hat mich an unseren Fluss erinnert. Und natürlich die Pferderennen von Melbourne, obwohl unsere Rosen denen an der Rennbahn von Flemington weit überlegen sind. Ich habe eine Bizet-Oper gesehen, im Princess-Theater, aufgeführt von der Lyster Company aus Amerika, und habe das Ausstellungsgebäude besichtigt. Ich bin sogar im Zoo gewesen und auf einem Elefanten geritten. Und ich war im Botanischen Garten.«
    Sid strahlte. »Hast du gehört, dass Ben jetzt dort ist? Wir sind mächtig stolz auf ihn. Er hat aus seiner Liebe zu Gärten und Pflanzen einen richtiggehenden Beruf gemacht. In seinem letzten Brief schrieb er, dass er eine Ecke des Botanischen Gartens selbst gestaltet. Denk doch nur mal, das wird für immer bestehen. So was wie eine Auszeichnung für ihn, denk ich mir.«
    Nettie schüttelte den Kopf. »Er war immer so ein scheuer, ruhiger Junge, der die Natur und Tiere und Blumen liebte, aber wer hätte gedacht, dass er das in sich hat?«
    »Kommt er bald nach Hause?«, fragte Kate beiläufig.
    Nettie lachte. »Ach, der Junge. Wir wissen es nie. Er taucht einfach auf. Wie damals nach dem Krieg. Kam eines Morgens einfach zur Tür herein und warf seinen Tornister ab.«
    Kate nickte, sie konnte sich noch gut an jenen Morgen erinnern.
    Nach dem großen Willkommensempfang für die heimkehrenden Soldaten am Bahnhof von Kincaid waren die Johnsons zutiefst niedergeschlagen, dass sich Ben nicht unter den ersten Heimkehrern befunden hatte. Die Demobilisierung der Truppe war danach nur unstet und sprunghaft vorangegangen, und nach den ersten Massenentlassungen kehrten die Soldaten nur noch in kleinen Gruppen zurück.
    Kate war im Rosengarten gewesen, hatte cremige rosa »Grace Darling«-Teerosen geschnitten und sie in einen Korb gelegt, als sie mehr spürte als hörte, dass sich ihr jemand näherte. Beim Umdrehen sah sie direkt in die Sonne, und von ihren Strahlen geblendet, fragte sie sich, ob die Gestalt, die sich ihr nährte, ihrer Einbildung entsprungen war. Gegen das helle Licht hob sich die unverkennbare Silhouette eines Soldaten mit einem hochgebogenen Schlapphut und einem Tornister über der Schulter ab. Die Gestalt war von Licht umgeben wie das Bild eines Engels, und einen Moment lang hatte Kate gedacht, ihr Dad sei zu ihnen nach Hause gekommen.
    Sie ließ die Schere fallen, machte einen Schritt vorwärts und blieb stehen. Die Gestalt wurde erkennbar, ihr Herz schlug schneller, und ein Lächeln schien von ihren Zehen bis zu ihren Haarwurzeln aufzusteigen und sie mit einem Prickeln zu erfüllen.
    »Ben«, flüsterte sie. Mit einem freudigen Lachen lief sie auf ihn zu.
    Auch für Ben war Kate so etwas wie eine ätherische Vision. Ihre schlanke Figur eilte wie schwebend durch den Wind, der ihr das Musselinkleid um den Körper wehte und ihr langes goldblondes Haar in Wellen über den Rücken fliegen ließ. Unbeholfen ließ er seinen Tornister fallen, als er ihr glückliches Lachen hörte.
    »Ben! Ben!« Sie verlangsamte ihren Schritt, und plötzlich standen sie bewegungslos voreinander. Zu ihrer beider Überraschung war es Kate, die die unsichtbare Barriere zwischen ihnen überwand,

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